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Zwischenwelten. Angela Winkler und Nele Winkler in "Die Frauen am Meer".

© Andi Weiland, Theater RambaZamba

"Die Frauen am Meer" im Theater RambaZamba: Sagen und Sorgen

Sehnsucht nach Leben im Geisterhaus: Olga Bachs Ibsen-Adaption „Die Frauen vom Meer“ im Theater RambaZamba.

Die Frage, was auf Ibsen folgen könnte, hat ja schon manche Dramatikerin beschäftigt. Elfriede Jelinek zum Beispiel: „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte?“ Ähnliches überlegt die junge Olga Bach in ihrer emanzipatorischen Fortschreibung „Die Frauen vom Meer“, Plural also.

Die Handlung setzt einige Jahre nach dem Klassiker ein, wir erinnern uns: Ellida war hin- und hergerissen zwischen ihrer unbefriedigenden Ehe mit dem Arzt Doktor Wangel und der Sehnsucht nach einem schmucken Seemann. Entschied sich jedoch, als ihr die „freie Wahl“ gelassen wurde, bei Mann und Stieftöchtern zu bleiben. So geht Glück. Oder nicht?

Bei Bach ist Wangel tot. Woran Ellida, so viel darf man wohl verraten, nicht ganz unschuldig ist. Immerhin bleibt der Doktor als Geist im norwegischen Küstenheim und hält Zwiesprache mit seiner Ex, die einen guten Kommunikationsdraht ins Jenseits hat. Was direkte Fortsetzungen der Ibsen-Dialoge ermöglicht. „Du erlaubtest mir, dich zu verlassen“, wirft Ellida dem Verstorbenen vor. „Siehst du“, sagt Wangel. „Da verwechselst du Großmut mit Gönnerhaftigkeit“, gibt Ellida zurück. Guter Punkt.

Es ist ein stimmungsvolles, suggestives Geisterhaus voll Meeres- und Mythen-Rauschen, das Olga Bach in ihrem Text errichtet. Bevölkert hat sie es vor allem mit dem bekannten Ibsen-Personal, im Zentrum die Wangel-Töchter Hilde und Bolette, die sich nach alter Sitte Langweiler-Ehemänner wie Arnholm gewählt haben und recht perspektivlos durch die Tage driften, Tschechow-Style, irgendwo in der Nähe von „Bergmarktrøntholmefjordkristianshusheim“. Norwegen nervt.

Die Wangel-Töchter und ihre Langweiler-Ehemänner

Dazu gesellen sich Lyngstrand, hier umgedichtet zur Malerin mit schwerem Herzfehler, sowie Undine, ihres Zeichens Wassergeist mit dem unbedingten Wunsch, menschliche Gestalt annehmen zu dürfen. Was aber nur glücken kann, wenn sie passgerecht ins Gemälde gebannt wird. Bitter genug, dass sie ihren frisch gewonnenen Leib letztlich auch nur an den nächsten Deppen verschenken wird. Lernen Frauen eigentlich nichts dazu? Und was bedeutet Freiheit heute?

Fragen, die Olga Bach in ihrem Stück ironisch, dringlich und poetisch zugleich zur Disposition stellt. Ein toller Text. Sie ist ja 2017 zur Nachwuchsdramatikerin des Jahres gewählt worden, ihr Stück „Die Vernichtung“ war in der Regie von Ersan Mondtag zum Theatertreffen eingeladen. Umso erfreulicher, dass das Theater RambaZamba ihre „Frauen vom Meer“ als Uraufführung bekommen hat. Die Autorin ist zwar nicht zur Premiere erschienen, weil ihr der Einstieg mit einem Fremdtext von Elisabeth Borchers nicht passte. Aber das ist Theaternebengeräusch.

Regisseurin Lilja Rupprecht inszeniert den Text mit offenem Ohr und schöner assoziativer Fantasie, in einem tollen Bühnenbild von Paula Wellmann: in der Mitte ein Wasserbassin voller Aschefetzen, an den gekachelten Seiten mit transparenten Vorhängen die Übergänge ins Jenseits, an der Rückwand eine weibliche Version von Caspar David Friedrichs Gemälde „Mönch am Meer“.

Olga Bach war 2017 Nachwuchsdramatikerin des Jahres

In diesem Hallraum der Sagen, Sorgen und Bezüge trifft ein famoses RambaZamba-Ensemble zusammen: Nele Winkler als Bolette, Juliana Götze als Hilde, Hieu Pham als Wassergeist und Zora Schemm in der Rolle der Lyngstrand. Die Männer – Aaron Smith und Joachim Neumann – haben die etwas undankbareren Parts, das liegt in der Natur der Sache. Dazu gesellt sich Angela Winkler als Ellida – eine entrückte Traumwandlerin, scheinbar ewig gekettet an den Mühlstein ihrer Ehe.

Jacob Höhne, Sohn der langjährigen RambaZamba-Gründerin Gisela Höhne und seit dieser Spielzeit künstlerischer Leiter, navigiert das berühmte inklusive Theater jedenfalls auf einen höchst vielversprechenden Kurs. Im Mai wird er selbst Melvilles „Moby Dick“ zur Premiere bringen – verschnitten mit Jack Urwins „Boys Don't Cry“, als Reflexion über die Krise der Männlichkeit.

Wieder am 29. März

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