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Kultur: Die Freudenfrau

Lustig, laut, lasterhaft: zum 70. Geburtstag der Filmschauspielerin Shirley MacLaine

Als sie vor fünf Jahren ihren Berlinale-Ehrenbären fürs Lebenswerk erhielt, gab sie, dem Protokoll zu Gefallen, eine Pressekonferenz. Ach was, eine Galavorstellung. Leichthin, mit gereiftem Lebenswitz beantwortete sie allerlei Fragen, und den Komödianten Jockel Tschiersch bedachte die Vollblutkomödiantin mit einem besonders hübschen Bonmot. Wie er denn ein großer Schauspieler würde, wollte Tschiersch, der sich als stand up comedian vorstellte, von der munteren Mimin wissen. „Sie müssen sich recken“, beschied ihn Shirley MacLaine, „in alle Richtungen“.

Gereckt hat sie sich, aber nicht verbiegen lassen, und groß geworden ist sie, aus kleinen Anfängen auch. Und dass sie seit 20 Jahren immer wieder die unwürdige Greisin spielt, obwohl sie alles andere als vergreist ist – so what! Das ist nun mal ihr Fach in späteren Jahren, das Fach einer, die von Anfang an Charakterdarstellerin war. Also keine eigentliche Schönheit. Wohl aber strahlend. Denn Schönheit verblüht, nicht aber das Strahlen.

Also durfte sie, anders als die Nur-Schönen, einfach immer weiter spielen, locker über die Vierzig hinaus. Und wirkt auch heute noch in aller Regel munterer und dynamischer als ihre Filmtöchter oder -enkelinnen, etwa in ihrem jüngsten Film „Carolina“, der demnächst ins Kino kommt. Dort hat sie als allein erziehende Oma der anämischen Blondine Julia Stiles in den Disziplinen Fluchen, Flirten, Feiern einiges voraus. Und weiß das Leben noch heftig zu genießen. 

Shirley MacLaine, rothaarig, verschmitzt und langbeinig, hat ihre Karriere mit 16 als Chorus-Girl in Broadway-Musicals begonnen. Und mit knapp 20, in „The Pajama Game“, jene Showbiz-Legende erlebt, die sonst in den eher schlechten Drehbüchern steht: Hauptdarstellerin bricht sich ein Bein, Revue-Küken springt ein, Hollywood-Mogul im Publikum findet’s ganz fein. Hier spielte Hal B. Wallis, mächtiger Produzent des Studiosystems, die Rolle im Hintergrund. Und Alfred Hitchcock saß, um das Glück der Debütantin perfekt zu machen, auch im Publikum – und engagierte sie vom Fleck weg für „Immer Ärger mit Harry“ (1954).

Shirley MacLaine hat nie Frauen gespielt, nach denen die Männer sich verzehren. Sie war eher das Clownsmädchen, das allenfalls männliche Beschützerinstinkte auslöste, sogar in den 14 Filmen, in denen sie Prostituierte spielte – der bekannteste war Billy Wilders „Irma La Douce“ (1963). Aber wozu die femme fatale markieren, wenn man lustig, laut und lasterhaft sein kann? Zu ihren Rollen gehörte die der Fahrstuhlführerin in Wilders „Appartement“ (1960), der lesbischen Lehrerin in William Wylers „Infam“ (1961) und der unzüchtigen Nonne und Verführerin Clint Eastwoods in Don Siegels „Ein Fressen für die Geier“ (1969).

In den Siebzigerjahren erlebte sie einen Karriereknick der ungewöhnlichen Art: Obwohl sie sich gegen den Vietnam-Krieg engagiert hatte, galt sie den Regisseuren des New Hollywood als Repräsentantin des verhassten Studiosystems – und wich zum Fernsehen aus. 1974 bereiste sie, von der Regierung eingeladen, die Volksrepublik China und verarbeitete ihre Reiseerinnerungen zu einem Buch und einem Dokumentarfilm.

Den Oscar bekam sie nach vier Nominierungen erst 1983, mit knapp Fünfzig. In James L. Brooks’ „Zeit der Zärtlichkeit“ hatte sie eine liebevoll-autoritäre Mutter verkörpert. „Den hab’ ich auch verdient“, stellte sie bei der Verleihung lakonisch, aber zufrieden fest. Später spielte sie Variationen dieses Typs, eine Klavierlehrerin in „Madama Sousatzka“ (1988) oder auch die giftige Witwe in „Magnolien aus Stahl“ (1999). In Beeban Kidrons „Die Herbstzeitlosen“ (1992) durfte sie sogar noch einmal eine Romanze erleben – und tatsächlich: Die muntere, aufsässige Shirley MacLaine, die ihre langen, schlanken Beine noch immer gern mit hohen Absätzen zur Geltung bringt, gibt sich sperrig, aber fasziniert jeden – und sprüht vor Lebenslust. Merke: Auch Granteln hält jung.

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