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Kultur: Die ganze Nacht auf Empfang

BERLINALE–PARTIES Glanz hier, Bescheidenheit dort: So unterschiedlich feiert sich die Filmwelt

Möge die Kraft mit uns sein in den noch folgenden Tagen und Nächten. Wir werden sie dringend brauchen – selbst wenn Obi-Wan Kenobi und Padmé Amidala gewiss kein zweites Mal parallel zur Party laden wie in der Nacht zu Dienstag. Solch ein Festival ergibt die kuriosesten Kombinationen, hatte diesmal zwei verdiente „Star Wars“-Helden in diese Stadt geschwemmt: Ewan McGregor und Natalie Portman . Obwohl, wer nacheinander mit ihnen feiern wollte und zu beiden Parties eingeladen war, sah sich vor unerwartete Schwierigkeiten gestellt. Im Zoo-Palast hatten sich McGregor und Regisseur Marc Forster nach dem im Künstler- und Psychiater-Milieu spielenden Thriller „Stay“ noch artig verneigt. Auch die Berliner Künstlerin Stefanie Schneider war gekommen, sie hatte die Gemälde zu der verwickelten Geschichte geschaffen. In der Lumas-Galerie am Kurfürstendamm 217 sollten diese zur Premierenfeier zu besichtigen sein, aber dazu musste man erst mal reinkommen. „Stay“ – der Titel wurde allzu wörtlich genommen. Vor der Galerie sah es aus wie Samstagnacht vor der angesagtesten Disko der Stadt: eine lange Schlange, die sich schneckenlangsam ins Gebäude schob, immer wieder stecken blieb. Mancher gab trotz Einladung vorzeitig auf, so auch die Regieveteranen Hark Bohm und Hans W. Geissendörfer , die nach kurzer Verhandlung am Einlass verärgert von dannen zogen.

Professioneller ging es in der DZ-Bank am Pariser Platz zu, Ort der „V for Vendetta“-Party, weit nach Mitternacht. Auch hier bestimmte ein Filmrequisit, ins Gigantische aufgebläht, die Szenerie: die Maske des historischen Bombenlegers Guy Fawkes. Unter ihr sammelten sich Natalie Portman mit den Kollegen John Hurt , Hugo Weaving und Ste phen Rea , auch Tom Tykwer und Volker Schlöndorff schauten vorbei, sogar Lindsay Lohan ließ sich blicken. Entspannte Atmosphäre, schmackhaftes Buffet, kühle Getränke, bequeme Fauteuils – was will man mehr?

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Das Glück ist unzuverlässig. Nachdem es in den letzten Jahren fest an der Seite von Jaka Bizilj , dem Organisator der Cinema- for-Peace-Gala, ausgeharrt hat, nahm es dieses Jahr mal eine Auszeit. Die große, bewegende Rede, die zum Markenzeichen der Gala geworden ist, konnte einfach keine rechte Entsprechung finden, nachdem der als Hauptredner vorgesehene Richard Gere im New Yorker Schneechaos stecken geblieben war. Zwar soll Dustin Hoffman, der vor drei Jahren so viel Furore gemacht hat, seine Ausführungen auch erst während der Gala spontan entworfen haben. Aber Inspiration lässt sich nicht erzwingen. Ansätze, eine Art Ersatz zu schaffen, gab es schon, sie entfalteten sich nur einfach nicht so recht wirkungsmächtig. Milla Jovovich sagte, dass alle Künstler mit ihrer Fähigkeit, Millionen Menschen zu berühren, die Pflicht hätten, Mauern niederzureißen. Bob Geldof nannte die Veranstaltung, bei der auch Anti-Gewalt-Filme ausgezeichnet werden, die „Oscars mit Hirn“. „Wenn wir die Schreie der Menschen überall auf der Welt nicht auf dem Schirm haben, dann handelt Kino nur davon, Popcorn zu verkaufen“, sagte Michael Curtis . Auf die Bühne traten unter anderem Staatsminister Bernd Neumann, Wim Wenders , Michael Winterbottom und Christopher Lee , der sein Unicef-Engagement immer mit großer Eindringlichkeit vermittelt. Auch Lang Lang engagiert sich für Unicef, stellte sich mit Understatement vor: „Ich bin Ihr Klavierspieler heute Abend.“ Klaus Wowereit wurde von Moderatorin Bärbel Schäfer auf die Bühne geholt und spendete vor aller Augen 100 Euro in bar für das Emblem der Gala. Bei der Auktion am späten Abend erbrachte n zwei WM-Endspiel-Tickets 15 000 Euro, einem entstellten Kind wurde für rund 10 000 Euro eine plastische Operation finanziert. Nach Angaben der Veranstalter kamen 480 000 Euro zusammen, die an die Hilfsorganisationen Unicef, Amfar und Healing the Divide verteilt werden sollen. Unicef bekam außerdem eine Plakatkampagne im Wert von 500 000 Euro von der Firma Ströer geschenkt.

Dass viele Künstler „ihre Verantwortung für die Welt“ entdecken, ist eine Zeiterscheinung, die bei „Cinema for Peace“ besonders deutlich wird und vom Berlinale-Chef thematisiert wurde. Das Pech des Veranstalters kommentierte Dieter Kosslick indes mit Humor: „Ich bin sehr glücklich, heute Abend Richard Gere ersetzen zu können.“ Könnte er jederzeit, keine Frage. Nur nicht bei Cinema for Peace. Dafür ist er zu lustig.

Hätte der Beamer nicht Szenen aus dem Film an die Wand geworfen – man wäre nie auf die Idee gekommen, dass im Münzsalon am U-Bahnhof Weinmeisterstraße in Mitte eine Premierenparty gefeiert wurde. Keine Showpromis, kein Blitzlichtgewitter, kaum Kameras, dafür viele Premierenbesucher und Freunde des Filmteams von „Der freie Wille“. „Das hatten wir auch so geplant“, sagte Hauptdarsteller Jürgen Vogel , schließlich geht es in dem Film um einen Vergewaltiger, da wäre eine „Glitzerparty unpassend gewesen. ,Sehen und gesehen werden‘ ist heute nicht drin.“ Die einzigen Prominenten neben Vogel und der Hauptdarstellerin Sabine Timoteo waren befreundete Künstler, zum Beispiel Songschreiber Felix Gebhard . Den hatte Vogel beim Dreh von „Keine Lieder über Liebe“ kennen gelernt. Die beiden wollen möglichst bald wieder zusammen spielen – mit der „Hansen Band“.

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Genauso unaufgeregt wie im Münzsalon ging es zwei Straßen weiter in der Clubbar „Eschloraque“ nahe dem Hackeschen Markt zu: Da wurde die Premiere von Franka Potentes Regiedebüt „Der die Tollkirsche ausgräbt“ gefeiert. Die Berlinerin war sichtlich froh, dass die Erstaufführung ihres Schwarzweiß-Stummfilms bereits einige Stunden zurück lag. Während der Premierenvorstellung sei sie noch „unüberbietbar nervös“ gewesen, sagte Potente. „Die ganze Zeit hab ich gegrübelt: Klatschen die Leute auch genug? Wird genug gelacht?“ Schließlich seien Kinobesucher Stummfilme nicht gewohnt. Zumindest bei Schauspielerin Nina Hoss kam der Film sehr gut an: „Man hat in jeder Szene gesehen, was die Schauspieler für einen Spaß hatten.“ Ob Hoss auch mal einen Ausflug ins Regiefach wagt? „Zumindest kann ich Franka sehr gut verstehen, warum sie das gemacht hat. Das reizt mich schon, selber Rollen bis ins letzte Detail zeichnen zu können.“ Wenn, dann will sie sich aber als Theaterregisseurin versuchen – „irgendwann mal vielleicht“. Franka Potente hat dagegen schon ihr nächstes Projekt als Regisseurin geplant. Leider kämen ihr dabei ständig neue Schauspieljobs in die Quere. Immerhin: Demnächst dreht sie in Australien, „da nehme ich meinen Laptop mit und schreibe alles auf, was bisher noch in meinem Kopf ist“.

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Für all die Feiern sind die Nächte viel zu kurz. Gestern am späten Dienstagnachmittag hatte im Zoo-Palast der Kinderfilm „Lapislazuli – Im Auge des Bären“ Premiere. Hinterher ging es für Regisseur Wolfgang Murnberger und die Hauptdarsteller Julia Krombach , Christoph Waltz , Paula Nocker und Vadim Glowna ins Hotel Balthasar am Kurfürstendamm 160. Der Stoff des Films: Neandertalerjunge trifft auf Großstadtmädchen. Keine einfache Verbindung.

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