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Kultur: Die Garagenfilmer

Netzwerke für den Nachwuchs: Gespräch mit Dorothee Wenner, Leiterin des Talent Campus

Frau Wenner, Sie sind seit August 2006 Leiterin des Berlinale Talent Campus. Was hat Sie dazu bewogen, „Home Affairs. Privacy, films and politics“ als diesjähriges Thema zu wählen?

Damit schlägt man einen weiten Bogen: Vom Zuhause, das ich mir als Filmemacher mit meinem Netzwerk schaffe, bis hin zu der Frage, wie eine private Geschichte politische Dimensionen bekommt. „Grbavica“, der Sieger der letzten Berlinale, ist da ein schönes Beispiel. Auch wichtig in Bezug auf das Campus-Thema ist, wie man sich in internationalen Koproduktionen das Eigene und Besondere bewahrt. Zum Beispiel beim Humor: Da gibt es die sogenannten laughing spots. In Indien lachen Zuschauer an anderen Stellen als in Europa.

Dieses Jahr findet der Campus ja zum ersten Mal nicht mehr im Haus der Kulturen der Welt, sondern in den drei Häusern des Hebbel am Ufer statt.

Wir haben versucht, unser Programm auf die neue Örtlichkeit abzustimmen: Im HAU 1 treten 120 Experten auf, darunter Wim Wenders und Tom Tykwer. Veranstaltungen mit mehr Interaktion und Workshopcharakter sind im HAU 2. Und das HAU 3 ist unser Working Campus. Dort können die 350 Studenten aus aller Welt praktisch arbeiten. So besprechen sie in der Script Clinic ihre Drehbücher in Einzelsitzungen mit Experten.

Neu hinzugekommen im Working Campus ist das Garage Studio.

Mit ihm haben wir auf den Boom von Internetportalen wie myspace und youtube reagiert. Dieses Jahr werden auf dem Campus vier sogenannte Flicks entstehen. Das sind Filme, die sich für die Auswertung im Netz eignen. Die Teilnehmer haben sich vorab übers Internet zu Produktionsteams zusammengeschlossen. Das Filmmaterial ist teilweise schon vorhanden, aber die tatsächliche Produktion der Flicks findet jeweils innerhalb eines Tages auf der Bühne im HAU 3 statt.

Was bedeutet das Internet eigentlich mittlerweile fürs Filmemachen?

Ich glaube, wir stehen vor einer Ausdifferenzierung. Bisher fehlt allerdings die künstlerische Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des neuen Mediums. Dazu laden wir ein, denn es gibt da noch Berührungsängste.

Manche sehen im Internet sogar eine Gefahr fürs Kino.

Sicherlich verändert sich das Kino durchs Internet. Die Videospiele zum Beispiel haben massiven Einfluss auf das Sehverhalten gerade des jungen Publikums, und sie verändern auch Erzählweisen. Ich selbst hänge leidenschaftlich am Kino und glaube nicht, dass dieses einzigartige Erlebnis durch Internetfilme verdrängt wird. Auch das Theater existiert ja trotz Kino weiter.

Wenn man schon Talent hat: Wozu braucht man noch einen Campus?

Gerade Filmschaffende brauchen so etwas dringend. Talent ist die Voraussetzung für jeden Beruf. Beim Filmemachen kommt die Notwendigkeit hinzu, sich mit anderen zusammenzutun. Beim Film ist man nur arbeitsfähig, wenn man Gleichgesinnte findet – seien es Schauspieler, Kameraleute oder Cutter. Das war auch die Grundidee, als der Campus 2003 initiiert wurde. Unsere Talente sind Filmschaffende am Anfang ihrer Karriere. Auf dem Campus treffen sie Experten und andere Talente und vernetzen sich. Wir als Campus orchestrieren diesen Prozess.

Was möchten Sie Ihren Talenten besonders ans Herz legen?

Wir wünschen uns, dass sie Netzwerke knüpfen und sich von den Profis Mut machen lassen. Häufig haben die ja selbst Dinge getan, die in keinem Lehrbuch stehen, haben sich tolle und sehr eigene Wege durch das dschungelhafte Filmgeschäft gesucht. Für mich ist der Talent Campus wie ein angenehmer Fluss, in den man hineinspringt und der einen dann weiterträgt.

Das Gespräch führte Verena Friederike Hasel.

Dorothee Wenner , geb. 1961, lebt seit 1988 als Journalistin und Filmemacherin in Berlin. Für die Berlinale ist sie seit 18 Jahren tätig: bis 2006 im Forum und nun beim Talent Campus.

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