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Kultur: Die Geister Berlins

Mitten in den Provisorien des Einzugs hat die American Academy in Wannsee ihre Arbeit aufgenommen.Der erste der acht Fellows stellte jetzt sein Berliner Arbeitsvorhaben vor.

Mitten in den Provisorien des Einzugs hat die American Academy in Wannsee ihre Arbeit aufgenommen.Der erste der acht Fellows stellte jetzt sein Berliner Arbeitsvorhaben vor.Er ist der mit der Stadt bei weitem Vertrauteste: Brian Ladd, Stadthistoriker an der Technischen Hochschule von Rensselaer im Staate New York.Sein Buch "The Ghosts of Berlin" erregte im vergangenen Jahr auch hierzulande Aufmerksamkeit, weil der Autor mit der Unvoreingenmommenheit des Fremden auf das merkwürdige städtische Gewebe blickt, zu dem Berlin in diesem Jahrhundert und zumal in den Jahrzehnten der Teilung herangewachsen ist.

Die geteilte Stadt beschäftigt Ladd weiterhin.Sein Thema ist das Wechselverhältnis zwischen dem städtischen Raum und dessen Schöpfern, Planern und Nutzern, und dieses Verhältnis will er am Beispiel des östlichen Berlin, der "sozialistischen Stadt" vergangener Tage untersuchen.Gewöhnlich wird die "sozialistische Stadt" als ein Ergebnis von Partei- und Regierungsvorgaben betrachtet; Ladd hingegen untersucht den Einfluß, den Bewohner und Nutzer der Stadt auf ihre tatsächliche Gestaltung genommen haben, sei es direkt oder als Objekte sozialpolitischer, insbesondere wohnungspolitischer Maßnahmen.Anhand von Fotografien aus Plattensiedlungen und Vorzeigeprojekten der DDR erläuterte Ladd die Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen einem "westlichen" und einem "östlichen" Betrachter ebenso wie an Fotografien monumentaler Plätze und Denkmäler die unterschiedliche symbolische Rolle der Stadt.Dabei beschäftigt Ladd die im Laufe der Jahre zunehmende Konvergenz von Ost und West im Städtebau, die es berechtigt erscheinen läßt, die Großsiedlungen des Sozialismus unter das Rubrum des "internationalen Modernismus" zu fassen.Auch Tendenzen wie die zur historischen Rekonstruktion - Beispiel Nicolaiviertel - sind Ost und West gleichermaßen eigen, ganz abgesehen von der Tendenz zur Individualisierung, die in Ost-Berlin KfZ-Stellplätze anstelle von Aufmarschplätzen für die Massen entstehen ließ.Mit dem Nicolaiviertel war dann erstmals in Ost-Berlin ein Stadtquartier entstanden, das nicht länger Partei- oder Staatsaktivitäten zum baulichen Mittelpunkt hatte, sondern die individuellen Sehnsüchte seiner Besucher bediente - kurz, bevor die DDR selbst Geschichte wurde.

Brian Ladd, The Ghosts of Berlin.Confronting German History in the Urban Landscape.University of Chicago Press, Chicago / London 1997.271 S., geb.29,95 Dollar.

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