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Kultur: Die gekaufte Braut

Ménage à deux: Anne Fontaines erotischer Liebesfilm „Nathalie“ schmiedet ein Komplott der Frauen

Zunächst sieht man sie nur durch Glas: eine selbstbewusste Frau in leuchtendem Rot, auf einer Party zu Ehren ihres Mannes. Elegant bewegt sie sich im Kreise ihrer Gäste, dirigiert die Gesellschaft mit leichter Hand. Später wird sie am Steuer ihres Autos sitzen, in stömendem Regen. Herabstürzende Wassermassen, die ihr Gesicht hinter der Scheibe verschwimmen lassen. Nein, sie weint nicht, noch nicht, auch danach werden ihre Augen nur einmal kurz vor Tränen nass. Doch verschwommen ist ihr Blick lange zuvor.

Fanny Ardant, die große Diva des französischen Kinos, ist Catherine, diese Frau, die ihr Leben scheinbar perfekt im Griff hat – und längst gefühllos neben ihrem Mann herlebt, im züchtigen Nachthemd im Bett auf ihn wartet und sich dann schroff zur Seite dreht, kaum ist das Licht erloschen. Wie hinter Glas bewegt sie sich die ganze Zeit, unnahbar, unerreichbar, gesichert in dem Luxuskokon eines Lebens als erfolgreichen Ärztin mit Kunstverstand. Doch die Geburtshelferin, die ihre Patientinnen kühl und souverän berät, ist selbst im Inneren erfroren.

Den Mann an ihrer Seite, den Ehemann, spielt – ganz ungewohnt zurückgenommen – Gérard Dépardieu, mit dem Fanny Ardant schon einmal eine amour fou verband, 1981 in François Truffauts „Die Frau nebenan“. Damals konnte sie so stark glühen, dass es sie umhaut, wenn sie ihren Liebsten trifft, bei einer Gartenparty im Fliederbusch. Das Nicht-Mit–, Nicht-Ohne-Einander-Lebenkönnen hat dieses Paar auf die Spitze getrieben. Zwei Jahre später, in Truffauts letztem Film „Vivement Dimanche – auf Liebe und Tod“, rettet sie ihrem unschuldig in Mordverdacht geratenen Chef das Leben.

Die Tatkraft und Entschlossenheit, die ist ihr geblieben, auch als frustrierte Ehefrau in Anne Fontaines erotischem Liebesdrama „Nathalie“. Der Vulkan jedoch, der ist erloschen, und was diese Frau aus kalter Asche baut, ist ein Gebäude der Lügen und Missverständnisse. Wie sonst käme sie auf die Idee, auf einen Verdacht ehelicher Untreue hin eine Prostituierte anzuheuern, die ihren Mann verführen soll – und ihr anschließend Bericht erstatten, was geschah?

Hier kommt ein anderes Kraftfeld ins Spiel, kein Vulkan, ein Eisberg eher. Emmanuelle Béart, schmal, sehr hellblondiert und abgebrüht, ist die Edel-Prostituierte, die sich, aus Neugier, aus Bequemlichkeit, auf das Spiel einlässt und allmählich Gefallen daran findet, wie Catherine ihren Geschichten halb fasziniert, halb abgestoßen lauscht. Gelassen lässt sie es zu, dass Catherine sie neu erfindet, ihr einen neuen Namen, ein neues Leben gibt, um den Ehemann zu locken. Allmählich entwickelt sich zwischen den beiden Frauen Nähe, Vertrautheit, auch erotische Spannung. Nathalie übernachtet in Catherines Kinderbett, Catherine besucht Nathalie im Bordell.

Blond und brünett, jung und alt, lässig und verletzt: So gegensätzlich die beiden sind, so magisch ziehen sie sich an, und von der Spannung, dem Wettstreit lebt der Film – und verlässt sich vielleicht etwas zu sehr darauf. Ganz gezeigt wird das Verhältnis zwar nie, es bleibt beim Spiel der Anziehung und Abstoßung. Doch man spürt, dass hier die eigentliche Geschichte läuft, eine Geschichte von Abhängigkeit, Faszination, auch Eifersucht. Am Ende hat der traurige Ehemann das Spiel verloren. Nicht, weil seine Frau ihn verlässt, sondern weil sie ihn längst verlassen hat. Das Schlimmste ist die Untreue in Gedanken.

Ab morgen in Berlin in den Kinos Cinema Paris (auch OmU), Hackesche Höfe, Kino in der Kulturbrauerei und Neues Off

Christina Tilmann

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