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Kultur: Die Gespenster der Wahrheit

Am Ende von Roberto Benignis "Das Leben ist schön", der nächste Woche ins Kino kommt, ist es ein amerikanischer Panzer, der dem kleinen Jungen die Befreiung bedeutet.Langsam rollt das stählerne Wundertier in den KZ-Hof ein.

Am Ende von Roberto Benignis "Das Leben ist schön", der nächste Woche ins Kino kommt, ist es ein amerikanischer Panzer, der dem kleinen Jungen die Befreiung bedeutet.Langsam rollt das stählerne Wundertier in den KZ-Hof ein.Aus dem Führerstand ziehen kräftige GI-Arme den Jungen in die Höhe, bevor es dann im Triumphzug hinausgeht.Was im Spielfilm traurigschön mit dem Glück des Wiedersehens endet, war in der Wirklichkeit der meisten KZ-Überlebenden der Anfang neuer Leiden.Kein Triumphzug: Zu fremd waren sich Befreier und Befreite.Wohin gehen, wenn die Angehörigen ermordet waren?

In den Heimatländern besonders der osteuropäischen Juden forderte der Antisemitismus schon wieder neue Opfer, wurden zurückkehrende Überlebende drangsaliert und umgebracht.Wo der Spielfilm aufhört, fängt manchmal der Dokumentarfilm an."The Long Way Home" (Buch und Regie Mark Jonathan Harris) berichtet vom Schicksal der jüdischen KZ-Überlebenden von der Befreiung bis zur Gründung des Staates Israel.Er beginnt mit der Schilderung eines Desasters, jener Begegnung zwischen Befreiern und Befreiten.Die Menschen, die damals halbverhungert aus den Konzentrationslagern herauswankten, waren verelendete und traumatisierte Gestalten, die sich um ein paar rohe Kartoffeln prügelten.

"Wir wurden gehaßt, weil wir von den Toten zurückgekehrt waren", heißt es einmal in diesem Film, und "niemand mag Gespenster".Displaced Persons, Teil eines Millionen Menschen umfassenden Flüchtlingsstroms.Was tun mit so viel Elend und Unordnung? Viele der Überlebenden landen bald in eben den Lagern, denen sie entflohen waren, jetzt unter alliierter Kontrolle.Dort finden sie sich an der Seite ihrer Folterer von damals.Die werden irgendwann entnazifiziert, die Juden sind recht- und heimatlos."Es ist besser, ein besiegter Deutscher als ein befreiter Jude zu sein".

Der Film berichtet auch von dem langen und schwierigen Weg, der - auch unter dem Druck der Flüchtlingsströme - aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina 1948 die jüdische Heimstatt, den Staat Israel, werden läßt.Die Eindimensionalität seiner Geschichtsinterpretation läßt den vom Simon Wiesenthal Center koproduzierten Film in seinem zweiten Teil penetrant nach Propaganda aussehen.Formal hält sich "The Long Way Home" dabei peinlich an das bekannte amerikanische Zeitzeugen-Archivbilder-Zeitzeugen-Schema.Der von Morgan Freeman gesprochene Kommentar und ein pathosgeladener Soundtrack werben um breite Publikumsgunst.Mit Erfolg: "The Long Way Home" hat dieses Jahr den Dokumentarfilm-Oscar erhalten.Sensiblere Gemüter müssen sich die Ohren zuhalten.Doch das Archivmaterial aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, das dieser Film präsentiert, ist sehenswert.

Hackesche Höfe (OmU)

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