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Kultur: Die Grünen: "Joschka Fischer läuft für Deutschland". Grünen-Experte Raschke über Schwächen und Stärken der Partei

Joachim Raschke ist Parteienforscher und Politik-Professor an der Uni Hamburg. Kürzlich erschien sein Buch: "Die Zukunft der Grünen.

Joachim Raschke ist Parteienforscher und Politik-Professor an der Uni Hamburg. Kürzlich erschien sein Buch: "Die Zukunft der Grünen. So kann man nicht regieren."

Sie haben die Wahl von Claudia Roth zur Parteichefin der Grünen im März hart kritisiert. Polarisiert sie in der Weise, wie Sie das befürchtet hatten?

Sie ist nicht besonders aufgefallen, weder positiv noch negativ. Es ist zu früh für ein Urteil. Am Schluss wird sie, wie Fritz Kuhn, an einer Frage gemessen werden: Ob sie die Grünen zurück in die Regierung geführt haben oder ob sie daran gescheitert sind.

Täuscht der Eindruck, dass die Strömungen in der Partei an Einfluss verlieren?

Die Strömungen bleiben die tragende Struktur hinter den Kulissen. Es ist immer noch so: Ohne die - richtige - Strömung kann man bei den Grünen nichts werden. Nehmen Sie das Beispiel Cem Özdemir. Eine grüne Partei, die wirklich als Ganze um ihr Überleben kämpft, würde ihn in Berlin nach vorne schieben. Kommunikationsfähig, interessant für die Jüngeren, durch seine Ausländerpolitik in einem grünen Kernbereich verankert. Die Linke hat ihn 1998 bei der Nominierung zum Ausländerbeauftragten der Bundesregierung scheitern lassen. Jetzt sieht es so aus, als wolle sie ihn als Senator in Berlin verhindern.

Die größte Schwäche der Partei sei, dass ein strategisches Zentrum fehle. Ist das noch so?

Immer noch fehlt die ordnende grüne Hand am Kabinettstisch. Die Führungsfrage bleibt ungeklärt bei den Grünen.

Sie waren enttäuscht, dass bei der Besetzung des Verbraucherministeriums der Sachverstand von Bärbel Höhn übergangen wurde, führten das auf den Einfluss Joschka Fischers zurück. Haben Sie Kritik an Renate Künast?

Sie macht einen prima Job. Aber sie ist in einem Marathonrennen und hat gerade erst begonnen. Agrarwende oder Atomausstieg - das hört sich an wie Großereignisse, tatsächlich geht es um Langzeitprozesse, bei denen zwischen Ankündigung und Wirkung viele Jahre liegen.

Die Grünen haben das Thema Kinder entdeckt. Hilft ihnen das?

Das ist natürlich sympathisch und in der Sache notwendig. Aber es ist doch eine etwas enge Zielgruppenstrategie. Außerdem ist das Feld von den Großparteien besetzt, die Neigung zu wohlfeilen Versprechen stark. Trotz aller Begründungsversuche haftet dem auch etwas Beliebiges an. Warum investieren die Grünen ihre knappen Ressourcen nicht darin, neben der Umwelt- die Verbraucherpartei zu werden? Die Pole Arbeit und Kapital sind von den anderen Parteien besetzt, die Grünen pendeln orientierungslos zwischen beiden hin und her. Sie könnten - und jetzt haben sie doch das Ministerium - die dritte Säule der Marktwirtschaft, die Verbraucher, zu ihrem Pol machen. Von den Verbraucherinteressen her sind in der Dienstleistungsgesellschaft quer durch alle Bereiche zunehmend wichtige Wirtschafts-, Sozial- und Gerechtigkeitsfragen zu stellen. Politisch wären die Grünen dazu prädestiniert.

Joschka Fischer wird als außenpolitischer Krisenmanager gefeiert. Profitiert seine Partei tatsächlich von seiner Beliebtheit?

Das kann ich nicht erkennen. Die beste Regierungsbilanz, gemessen an durchgezogenen Vorhaben, hat der unbeliebteste Grüne, Jürgen Trittin. Joschka Fischer läuft für Deutschland, nicht für die Grünen. Renate Künast ist die einzige grüne Ministerin, bei der Person, Projekt und Partei einen Einklang bilden können. Die einzige Ministerin also, die den Grünen bei Wahlen wirklich hilft.

Sie haben die Wahl von Claudia Roth zur Parteichef

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