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Kultur: Die Hölle, das bist du

„Der letzte Vorhang“ im Renaissance-Theater.

Was für eine Liebeserklärung: „Alles an dir ist mir so herrlich vertraut“, flötet Kate, „wie du dich aus dem Bett schleichst, um in der Küche einen halben Laib Brot zu verdrücken, weil du das, was ich für dich gekocht habe, wieder mal ungenießbar fandest.“ Ach, Loblied der Zweisamkeit! Kein Wunder, dass der so gepriesene David angesichts der überschießenden Romantik mahnt: „Wir versinken langsam im Tümpel unserer tiefexistenziellen Gefühle“, genauer: „In unserem feinen, kleinen Privatinferno.“

Ja, Kate und David zählen zu der Sorte Liebender, die nur zusammen sind, um sich das Leben nach allen Regeln der Kunst zur Hölle zu machen. Figuren wie aus einem Beziehungs-Bestiarium von Edward Albee, Dämonen der Demütigung, wie von Lars Norén ersonnen. Die beiden sind die Protagonisten eines Stücks im Stück, dessen Proben wir ausschnittweise beiwohnen dürfen. Die allerdings gehen ebenso selbstzerfleischungsselig vonstatten wie das Bosheiten-Pingpong von Kate und David. Aber ja, das Theater ist ein kalter Ort.

„Der letzte Vorhang“ heißt die Tragikomödie der Niederländerin Maria Goos, die Landsmann Antoine Uitdehaag am Renaissance-Theater inszeniert hat. Von Goos war hier schon „Alte Freunde (Cloaca)“ zu sehen, ein Stück über die wankenden Lebensentwürfe von Endvierzigern in der Selbstbetrugs-Dämmerung ihres Daseins. Diesmal stellt die Autorin zwei Schauspieler in den Mittelpunkt, die ebenfalls schon bessere Tage gesehen haben. Richard und Lies heißen sie, ihre Namen verdanken sie Richard Burton und Elizabeth Taylor, die bekanntlich die Hauptrollen in der Verfilmung von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ gespielt und sich auch privat nicht eben als harmonisches Paar präsentiert haben. Kunst und Leben, wer kann da schon trennen?

Richard ist ein saufender Kotzbrocken, der gerne mal in der Stammkneipe neben der Fritteuse nächtigt und auf der Probe die Kolleginnen gleich reihenweise mit ätzenden Sarkasmen in die Flucht schlägt. Um die Premiere zu retten, springt seine alte Liebe Lies ein – die Einzige, die ihm Paroli zu bieten versteht. Einst haben sie zusammen ihren Abschluss auf der Schauspielschule gemacht – mit eben jenem Stück, das nun wieder auf dem Programm steht. Sie waren Seelenverwandte, hatten aber nie mehr als eine kurze Affäre. Jetzt ist Lies in Südfrankreich mit einem Gynäkologen verheiratet, während Richard dabei ist, sich das Resttalent wegzutrinken.

Maria Goos entwirft ihre Hauptfiguren als Spielsüchtige, die vor lauter Theaterfuror kaum noch aus der Rolle fallen können. Wenn sie gerade mal nicht proben, performen sie ihre eigene Biografie – und stellen etwa eine Trunkenheitsautofahrt nach, die in die erste und einzige gemeinsame Nacht mündet. In den nahtlosen Überblendungen der Spiel-im-SpielSituationen liegt ein wesentlicher Reiz des durchaus sentimentalen, auch melancholischen Stücks. Uitdehaag inszeniert es mit wenig Aufwand, auf einem von Scheinwerfern umstellten ChesterfieldSofa – ein erbarmungslos ausgeleuchteter Lebens-Set.

Dort glänzen Suzanne von Borsody und Guntbert Warns: Sie zeigt Lies als an manchen Brüchen gereifte Frau, die sich, bei aller Liebe, keine Illusionen mehr macht – und Warns gibt den Richard als Gescheiterten, den es zusehends Anstrengung kostet, sich den eigenen Narzissmus mit Hochprozentigem zu erhalten und der im Grunde weiß, dass er das Timing vermasselt hat. Ein Happy End erwächst aus so was nicht, wohl aber eine rauschende Berliner Theaterpremiere.

Wieder 13. bis 17. Dezember, 20 Uhr, 18. Dezember 18 Uhr

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