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Kultur: Die Hoffnung lebt

Daniel Barenboim sucht in Berlin israelisch-arabische Harmonien

Musizieren für den Frieden: Geht das? „Kann Kunst das Leben ändern?“ Es ist bald 20 Jahre her und doch in seiner Besonderheit unvergessen, wie Hans Neuenfels der Frage in seiner Inszenierung von Zimmermanns „Soldaten“ ein Fünkchen Hoffnung abgewonnen hat. Im Fall des Nahen Ostens 2002 stellt sich die Frage direkter und schmerzlicher. Fakt ist der tägliche Tod, das tägliche Sterben von Zivilisten. In diese Ausweglosigkeit hinein tönt nun das Trompetensignal, Beethovens Ankündigung der Freiheit, die 3. Leonorenouvertüre, in der Ernst Bloch „eine Legende der Hoffnung“ wahrgenommen hat.

Unmöglich, nicht ergriffen zu sein, wenn junge Künstler aus arabischen Ländern und aus Israel gemeinsam diesen Beethoven spielen, auf dem Podium der Berliner Lindenoper. Daniel Barenboim hat zusammen mit seinem Freund, dem palästinensischen Historiker Edward Said, 1999 dieses West-Eastern-Divan Orchestra gegründet. Er ist sich bewusst, dass es den Nahost-Konflikt nicht lösen kann, aber „unser aller Leben verändert“ hat. Kann also Kunst das Leben ändern? Das Konzert der 15- bis 27-jährigen Araber und Israelis beantwortet die Frage mit einem starken Ja. Da derart inbrünstige Standing ovations für ein Jugendorchester nicht alltäglich sind, haben sie mit dem Außerordentlichen der Initiative zu tun.

Aber auch mit der Musik. Der Generalmusikdirektor der Staatsoper steht zwischen einem Wunschpublikum und einem Wunschorchester. Rein künstlerisch betrachtet, dürfte es kein Sinfonieorchester geben, das seinem Dirigenten aufmerksamer zugetan ist als dieses. Aller Augen richten sich auf den Maestro, auf jedes seiner Zeichen, nicht nur, wo es um Tempowechsel geht. So wird es Barenboim leicht gemacht, kleine Unebenheiten rasch zu beheben. Der israelische Dirigent schließt in seine Dankesworte an die „Freunde und Kollegen im Orchester“ das Prinzip der Gleichheit ein, nach dem die Musiker immer wieder die Pulte und Führungspositionen wechseln. Sein Plädoyer gilt einer Politik der Gleichheit. Erst wenn sie erreicht sei, „können wir sehen, ob wir tolerant sind“.

In der Mitte ein Mozart-Idyll: Saleem Abboud Ashkar und Shai Wosner fordern mit perlenden Soli in dem Konzert für drei Klaviere Barenboims pianistische Kommentare heraus, so dass die Musik über die adelige Unterhaltung hinaus ihre eigene Harmonie ausstrahlt. In der Fünften Beethovens dominiert eine Neigung Barenboims zum Extrem, zu romantischer Zeichnung und – beflügelt vom Genius der Stunde – vollem Rohr. Goethes Dichtung, nach der die Musiker ihr Orchester benannt haben, bestätigt sich in eigener Weise: „Herrlich ist der Orient übers Mittelmeer gedrungen.“ Sybill Mahlke

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