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Kultur: Die innere Unsicherheit

Christian Petzolds Psychodrama „Wolfsburg“ mit Nina Hoss in der Hauptrolle

Manche sagen, Christian Petzolds auf der Berlinale gefeierter Film „Wolfsburg“ sei nicht mehr als eine gut fotografierte Autowerbung. Dieses kühle Licht, die glatten Straßen, der Blick aus dem Autofenster auf die Landschaft im Vorbeifliegen. Die Verkaufstempel der Autofirmen und das glänzend polierte Metall der Wagen darin. Zwischendrin unterhalten sich zwei über einen Auto-Kalender. Die Filmbilder sehen genauso aus.

Andererseits: Was kann man von einem Film über Wolfsburg schon erwarten? Ungewöhnlich genug, dass einer überhaupt dort spielt. Die Stadt in Niedersachsen ist dominiert von dem riesigen VW-Werk, die Straßen drumherum sind bestens asphaltiert für Testwagen-Spritztouren nach Braunschweig oder Hannover. Eine Stadt, aus der man besser wegkommt, als dass man dort lebt. Irgendwann malt eine Figur im Film im Stadtplan ein Netz der Autowerkstätten um die Stadt. Das Netz ist ziemlich lückenlos.

Andere Kritiker sagen, Christian Petzolds neuer Film „Wolfsburg“ sei nicht mehr als ein Remake seines letzten, „Toter Mann“. Max Färberböck habe in seinem Fernsehfilm „Jenseits“ 2001 die gleiche Geschichte auch schon besser erzählt: ein Mann, der aus Versehen ein Kind überfährt und sich dieser Tat nicht stellen kann.

Sicher: Nina Hoss spielte auch in „Toter Mann“ die Hauptrolle, und sie dominiert auch „Wolfsburg“ ganz selbstverständlich. Beide Male auch gibt es einen Außenseiter, der sich hoffnungslos in sie verliebt: In „Toter Mann“ war es André Hennicke als Anwalt Thomas, diesmal ist es Benno Fürmann als erfolgloser Autoverkäufer Phillip (wobei Fürmann noch wesentlich hölzerner spielt als Hennicke, das ist schon eine Kunst). Und beide Male wird die Geschichte von Petzold mit ruhiger Konsequenz zur Katastrophe geführt, ohne viele Worte. Das Thema wird nicht schlechter dadurch, dass man es ein zweites Mal bedient.

Hartnäckige Kritiker sagen schließlich, Christian Petzolds neuer Film „Wolfsburg“ sei nur ein Fernsehfilm, von seiner Ästhetik, von den Dialogen her und von der Auflösung am Ende sowieso. Das hat man bei „Toter Mann“ auch gesagt, und bei Dominik Grafs „Deine besten Jahre“ und bei Andreas Dresens „Polizistin“: lauter TV-Filme, die so außerordentlich waren, dass sie im Kino manchem Spielfilm den Rang abgelaufen haben. Doch während viele Kinofilme auf der Mattscheibe nur verlieren, gewinnen Filme wie „Toter Mann“ und „Wolfsburg“ auf der großen Leinwand. Weil Petzold ein Meister der Quadrierung ist, weil er Bilder komponiert wie andere Leute Gedichte. Exakt. Rhythmisch. Schön. Kalte Bilder, die sich einbrennen ins Gedächtnis.

Aber alle sagen, Christian Petzolds „Wolfsburg“ muss man gesehen haben, allein wegen Nina Hoss. Dunkelhaarig ist sie diesmal als allein erziehende Mutter Laura, nicht so engelsblond wie als Leyla in „Toter Mann“. Aber dieses vereiste Innere, das verschlossene Gesicht, die Unsicherheit, diese stille Trauer, die einem das Herz zusammenzieht, die hat sie wieder. Allein der Moment, in dem sie entdeckt, dass der Mann, in den sie sich verliebt hat, ihr das Liebste genommen hat: Der Zuschauer weiß das längst und wartet auf diesen Moment. Und dann sieht man, wie Nina Hoss stutzt, wie sie stockt, nachdenkt, begreift. Am Ende verlässt sie den Schauplatz, wie ein Geist. Doch nur sie hat diesen Film belebt.

In Berlin in den Kinos Filmbühne am Steinplatz, fsk, Hackesche Höfe

Christina Tilmann

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