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Kultur: Die Karawane von Timbuktu

Timbuktu, ein Name wie Musik. Ein Ort, auf den sich Sehnsucht kapriziert.

Timbuktu, ein Name wie Musik. Ein Ort, auf den sich Sehnsucht kapriziert. Die Realität jedoch spricht tausendundeinem Reisetraum Hohn. Timbuktu ist vom Krieg getroffen – und kaum, dass die Islamisten abgehauen sind und die kostbaren Bücher der alten Karawanen- und Kulturstadt geretten werden konnten vor den malischen Taliban.

Im Essakane im Norden Malis und in Timbuktu treffen sich seit Jahren Musiker aus aller Welt zum „Festival au Désert“. Dort wurde wahr, was Menschen und Kulturen verbindet, was über irgendein Event hinausgeht. Denn vor dem globalisierten Erdball gab es immer schon das Nomadische, das Künstler und Schriftsteller ohnehin umtreibt. Nun muss das Festival in der Wüste abgesagt werden. Zu gefährlich. In Mali zieht der Krieg seine Kreise. Und weil französische Truppen an der Front stehen und deutsche Militärflugzeuge dort unterwegs sind, weiß man etwas über den Konflikt. Wir sind beteiligt, wir stecken drin, also schauen wir mal hin.

Fast auf den Tag genau drei Jahre ist es her, dass Christoph Schlingensief bei Ouagadougou den Grundstein für sein Operndorf legte. Da hatte er nur noch ein halbes Jahr zu leben. Sein Projekt wurde gepriesen, aber auch belächelt. Längst stehen die ersten Häuser auf dem Gelände, die Schule hat ihren Betrieb aufgenommen, die Krankenstation steht vor der Vollendung. Ein Traum kann in Erfüllung gehen.

Burkina Faso, Schlingensiefs afrikanische Heimat, liegt südlich von Mali. Und jetzt muss das „Festival au Désert“ doch nicht dem Krieg dem Krieg zum Opfer fallen. Es weicht aus, geht ins Exil, ins Operdorf von Christoph Schlingensief, dem Architekten Francis Kéré und Aino Laberenz, Schlingensiefs Frau, die das Werk weiterführt.

Das gute Werk, wie man sieht. Wer einmal auf dem roten Plateau gestanden hat, wo das Dorf beständig wächst, hat begriffen: Es liegt eine Magie über diesem Ort, eine stille Anziehung, hier ist Tiefe und Weite. Die Idee war von Anfang an größer, umfassender, als es der Begriff Operndorf auszudrücken vermag.

Ein „mobiles Mahnmal“ für den Frieden wollen die Désert-Veranstalter errichten, in Ouagadogou und auf dem langen Weg dorthin von Mauretanien und Algerien. Ein Festival zieht durch die Wüste, eine Karawane der Musik, ein fliegende Markt, vermutlich im Herbst. Der Festivalchef Manny Ansar sagt: „Das ist genau das Gegenteil dessen, was die Islamisten wollen. Es ist unser Sieg – und ihre Niederlage!“ Ein kleiner Trost. Jedenfalls sind die Musiker so beweglich und allemal so international vernetzt wie diese Barbaren, die Liebespaare auspeitschen, Dieben die Hand abhacken, Bücher verbrennen, Baudenkmäler einreißen, Gotteshäuser schänden, terrorisieren und morden.

Rüdiger Schaper über ein Festival in Schlingensiefs Operndorf

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