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Das Kunstmuseum Cottbus lockt derzeit mit der Ausstellung "Farbwelten" - und Meisterwerken von Monet bis Kandinsky.

© Marlies Kross

Die kleinen Großen: Kunstmuseum Cottbus: Augen auf und hin

In Tagesreise-Entfernung von Berlin gibt es Museen, die immer noch Geheimtipp sind – ein schöner Anlass für sommerliche Kunstfahrten. Das Kunstmuseum Cottbus residiert in einem alten Dieselkraftwerk

Wie soll man sich Cottbus nähern? Unbedingt bei gutem Wetter. Und keinesfalls vom Bahnhof aus. Am besten auch nicht über die Neubaugebiete. Letzteres ist besonders schwer, denn überall, wo im Zweiten Weltkrieg das Stadtbild von Bomben zerrissen wurde, hat die DDR Plattenbauten hingeklotzt, zu denen sich nach 1989 gesichtslose Investorenarchitektur gesellte. Wo historische Häuser erhalten blieben, stößt man auf verwahrloste Fassaden und Geschäfte, denen die Shopping-Malls im Zentrum den Garaus gemacht haben.

Cottbus ist also der ideale Ort für selektive Wahrnehmung. Punktuell kann es hier sehr schön werden. Da ist der restaurierte Altmarkt, das ist das Jugendstiltheater von Bernhard Sehring, dem Berlin unter anderem das Theater des Westens zu verdanken hat, da ist die 2005 eröffnete Bibliothek der Technischen Universität von Herzog & de Meuron, da erstreckt sich östlich der Stadt Fürst Pücklers Branitzer Parklandschaft.

Und da ist die Mühleninsel mit dem Kunstmuseum Dieselkraftwerk: Bereits im 13. Jahrhundert trieb die Spree hier Mühlräder an, geduckte Gerberhäuser stehen noch als Zeugen vorindustrieller Handwerkskunst. 1903 wird ein Elektrizitätswerk auf dem Inselchen errichtet, 1928 kommt ein Dieselkraftwerk hinzu, das die Stromversorgung in Spitzenzeiten sichert, aber schon ab 1959 nicht mehr benötigt wird. Zum Glück finden sich andere Nutzungsmöglichkeiten für das Gebäude, so dass Cottbus ein Meisterwerk des norddeutschen Backsteinexpressionismus erhalten bleibt.

Weil das Gebäude an den Goethe-Park grenzt, hat der auf Kraftwerke spezialisierte Architekt Werner Issel die Fassade besonders liebevoll gestaltet, rotviolett glänzende Klinker aus lokaler Produktion verwendet, mit feuerroten Fensterrahmen und taubenblauen Stahltüren Farbakzente gesetzt und den Baukörpern des Maschinen- respektive Schalthauses sogar noch einen schlanken Campanile angefügt, der wie ein Glockenturm anmutet und doch nur ein – im Innern raffiniert sich windendes – Treppenhaus ist.

Dass in diesem Industriedenkmal seit Mai 2008 das Cottbuser Kunstmuseum residiert, ist zum großen Teil bürgerschaftlichem Engagement zu verdanken. Seit den späten neunziger Jahren propagierte der Verein der Freunde und Förderer die Idee, Issels leerstehendes Gebäude zum Standort der erst 1977 begründeten Sammlung aufzuwerten. Dank EU-Investitionsmitteln wurden für 8,1 Millionen Euro Bedingungen geschaffen, die Cottbus für den internationalen Leihverkehr attraktiv machen.

Derzeit sind unter dem Titel „Farbwelten“ 52 Meisterwerke von Monet über Kandinsky und Mondrian bis Yves Klein zu sehen. Was dem New Yorker MoMA recht war, ist dem Kunstmuseen Krefeld billig: Während der Renovierung des Stammhauses schickt man die Bestände auf Reisen. Dass Cottbus in den Genuss kommt, die hochkarätige Kollektion zeigen zu dürfen, liegt daran, dass sich Museumsdirektorin Perdita von Kraft klimatisch wie sicherheitstechnisch höchste Standards erkämpft hat.

Dafür wurden in die ehemalige Halle des Dieselmotors drei freistehende Betonkuben gesetzt, die als Säle für Sonderausstellungen dienen. Während in diesen white cubes ideale Präsentationsbedingungen herrschen, kann der Besucher beim Rundgang um die Einbauten das alte Gebäude erkunden, die vielfältigen Türkisschattierungen der originalen Wandfliesen bewundern, die den Maler Johannes Gecelli so sehr faszinierten, dass er ihnen eine eigene Werkgruppe unter dem Titel „Cottbusgrün“ gewidmet hat.

Jenseits des ehemaligen Werkhofes, der – von einem Glasdach überspannt – jetzt als großzügiges Eingangsfoyer dient, ist in geschickt geschnittenen Räumen Platz für die Präsentation der eigenen Bestände. Von Anfang an hat man sich in Cottbus auf Fotografie und Plakatkunst spezialisiert, in jüngerer Zeit kamen Sammlungsschwerpunkte zu den Themen „Landschaftsraum“ und „Umwelt“ hinzu. Mittlerweile können die Kuratoren aus einem Bestand von 24 000 Werken schöpfen.

Dass die hauseigene Cafeteria nur am Wochenende geöffnet ist, liegt an schildbürgerhafter EU-Bürokratie, die es untersagt, dass Häuser, die überwiegend mit Geld aus Brüssel gebaut wurden, gastronomische Einrichtungen an kommerzielle Betreiber verpachten. Also bemüht sich der Freundeskreis, die Theke wenigstens sonnabends und sonntags für Besucher zu öffnen. Pech für den Werktagsgast, dem immerhin eine Runde durch den Goethe-Park bleibt, vorbei an der prachtvollen Wasserfontäne und dem Entengewimmel unter alten Bäumen. Ein kurzer bildungsbürgerlicher Parcours; hinter der Grünanlage beginnt gleich wieder das Cottbus mit der urbanen Augen-zu-und-durch-Mischung.

Die Ausstellung „Farbwelten“ läuft bis 24. Oktober. Infos: www.museum-dkw.de

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