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Kultur: Die Kraft des Ursprünglichen

Ein bißchen peinlich ist es schon.Da hegt man nun seit Jahr und Tag eine stille Verachtung für all jene, die auf jedem halbwegs abstrakten Bild partout etwas Konkretes erkennen wollen - eine menschliche Figur zum Beispiel, einen Vogel oder etwa eine Waldlandschaft (Was glauben die Leute, warum manche Künstler auf eindeutig lesbare Formen verzichten?

Ein bißchen peinlich ist es schon.Da hegt man nun seit Jahr und Tag eine stille Verachtung für all jene, die auf jedem halbwegs abstrakten Bild partout etwas Konkretes erkennen wollen - eine menschliche Figur zum Beispiel, einen Vogel oder etwa eine Waldlandschaft (Was glauben die Leute, warum manche Künstler auf eindeutig lesbare Formen verzichten? Nur, damit der Betrachter heiteres Rätselraten spielen kann?).Und nun das: Kein Zweifel, da links, das ist ein Tisch, rechts ebenfalls, auf diesem ein Fernseher, im Hintergrund eine aufrechte, dunkle Gestalt.Es ist wie eine fixe Idee.Hat man einmal, ohne es zu wollen, auf einem Bild etwas bestimmtes "erkannt", wird man es nicht wieder los.Man kann sich drehen und wenden, wie man will, immer springt einem der Gegenstand entgegen.

Das Gemälde, von dem hier die Rede ist, stammt von Willi Baumeister und gehört zu einer Ausstellung des Künstlers, die derzeit bei Wolfgang Werner zu sehen ist.Es heißt "Afrikanische Komposition", entstand 1945 und zeigt auf flächig-neutralem Malgrund ein lockeres Gefüge verschiedenartiger zeichenhafter Bildelemente, die mit dem eben genannten Inventar der modernen industriellen Welt überhaupt nichts zu tun haben.Nicht, daß Baumeister von der modernen Technik nicht fasziniert gewesen wäre, aber das war vor allem in den 20er Jahren der Fall gewesen, als er unter anderem die sogenannten "Maschinenbilder" schuf, in denen er Geometrisches und Figürliches miteinander verknüpfte.Damals hatte er - wie auch sein Freund Oskar Schlemmer oder Fernand Léger, mit dem er seit 1924 bekannt war - an eine Harmonie von Mensch, Maschine und Technik geglaubt, die auch mit dem Gedanken an eine größere menschliche Freiheit verbunden war.

Schöne, unschuldige Zeit.1945, als Baumeister die "Afrikanische Komposition" malte, war sie Äonen entfernt.Der schon früh mit Erfolgen Verwöhnte blickte auf Jahre der Verfolgung und Unterdrückung zurück: 1933 hatten ihn die Nazis aus der Städelschen Kunstschule in Frankfurt geworfen, wo er eine Professur innegehabt hatte, 1937 hingen von ihm vier Bilder auf der berüchtigten Ausstellung "Entartete Kunst".Die Malerei konnte Baumeister nur noch im Verborgenen fortführen - was er auch tat.Allein vier der insgesamt vierzehn Ölbilder, die jetzt in der Fasanenstraße gezeigt werden, stammen aus den Jahren 1936-38.Keine Spur mehr von der konstruktiven Gestaltung mit Zirkel und Lineal aus der Zeit vor 1933.Stattdessen weich geschwungene, amöbenhafte und vegetabile Formen, die sich auf der Bildfläche tummeln.Einmal, bei der "Studie in Erdfarben", sogar eine waschechte surrealistische Szenerie, mit zwei felsblockartigen Figuren in der Landschaft.Ist es nicht merkwürdig, daß die Bilder aus diesen Jahren mitunter lebendiger wirken als die aus der Zeit vor der Ächtung des Künstlers?

Der Grund hierfür liegt vor allem in dem Wandel der gestalterischen Mittel.Baumeister gab sich nur mit dem Höchsten zufrieden.Er, der schon bald nach dem Krieg als einer der wichtigsten abstrakten Maler in Deutschland gefeiert wurde, suchte in der Kunst nichts Geringeres als "ewig gültige Formen".Nach den eher rational kalkulierten Konstruktionen der Frühzeit fand er sie nun in organischen Abbreviaturen, in zeichenhaften, symbolischen Bildelementen, die oft schwerelos über der Malfläche zu schweben scheinen.Aber auch in den künstlerischen Erzeugnissen der menschlichen Vor- und Frühgeschichte glaubte er "ewig Gültiges" zu entdecken, so wie überhaupt in jeder archaisch anmutenden, urbildhaften Ausdrucksweise.Afrika geriet da zum Beispiel in sein Blickfeld, und so entstanden ab 1942 die "Afrikanischen Bilder", zu denen auch die eingangs erwähnte Komposition zählt.Kein Zweifel: Die Hinwendung zu außereuropäischen Kulturen und die Rückbesinnung auf die künstlerischen Wurzeln der Menschheit entsprangen nicht zuletzt dem tiefen Bedürfnis nach grundlegender Erneuerung, nach einer Vergewisserung im Archaisch-Überzeitlichen als Gegenentwurf zur quälend empfundenen Gegenwart.

Was aber fand Baumeister dort, wo er die Kraft des Ursprünglichen vermutete? Entdeckte er eine lichte, unbeschwerte Welt, die Zuversicht und Optimismus vermittelte? Mitnichten: Einer riesigen durchbrochenen Mauer gleich recken sich die "Giganten" von 1946 bedrohlich empor; schwarz, undurchdringlich und abweisend erscheinen 1949 die "Afrikanischen Geister".Auch im Archaischen lauerte also ein Schrecken.Was blieb, war die Möglichkeit eines Ausgleichs der Kräfte.1952 gelang ihm dies mit einer wunderbaren, ungewöhnlich großformatigen Komposition.Das "Schwarze Phantom", dem das Bild seinen Titel verdankt, schwebt hier zwischen leuchtend gelben, roten, blauen und grünen Formen, die die dunkle Gestalt heiter-bewegt umspielen.Jetzt endlich, so scheint es, hatte das Unheilvolle seine bezwingende Macht verloren.

Kunsthandel Wolfgang Werner, Fasanenstraße 72, bis 5.Juni; Montag bis Freitag 10-13 Uhr und 15-18 Uhr, Sonnabend 10-13 Uhr.Katalog 20 DM.

MARKUS KRAUSE

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