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Dilemma der Gemäldegalerie. Hier lässt sich exklusiv Top-Kunst betrachten wie in der hervorragenden Mittelalterabteilung. Doch müsste mehr Publikum her.

© dpa / Arne Bänsch

Die Kritik wächst: Staatliche Museen Berlin: Zu wenig Besucher, zu viele Baustellen

Ob das kommende Humboldt Forum oder die bestehende Gemäldegalerie: Die Staatlichen Museen kämpfen mit Problemen. 2019 sollte das anders werden. Doch wie?

Das neue Jahr begann für die Staatlichen Museen nicht besonders gut. Beim  Prozessauftakt für den Diebstahl der 100 Kilogramm schweren, Millionen teuren Goldmünze aus dem Bodemuseum stellte sich letzte Woche heraus, dass die Alarmanlage seit mehreren Jahren nicht mehr funktionierte und die Räuber problemlos über ein ungesichertes Fenster ins Museum einsteigen konnten. Wenn schon die Überwachung der Häuser nicht intakt ist, fragt man sich da, wie sieht es dann erst in ihrem Inneren aus?

Bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz knirscht es im Gebälk. Und das ist wörtlich zu verstehen. Die Staatlichen Museen zu Berlin, 19 an der Zahl, kommen vor lauter Baumängeln kaum hinterher. Zahlen über ausstehende Reparaturen werden gar nicht erst genannt, weil der Aufschrei noch größer wäre als bei dem zersplitterten Sicherheitsglas, durch das die Münzdiebe sich Zugang verschafften. Gleichzeitig stellt die Stiftung neue Ausstellungshäuser hin und eröffnet weitere Standorte: Mitte des Jahres soll der erste Spatenstich für das neue Museum der Moderne am Kulturforum erfolgen, im Sommer eröffnet auf der Museumsinsel die James-Simon-Galerie mit einer Präsentation der Gipsformerei. Im September wird gegenüber am Kupfergraben das Haus Bastian frisch hergerichtet als Zentrum für Bildung und Vermittlung der Öffentlichkeit übergeben.

Es sieht nach einem Stolperstart beim Humboldt Forum aus

Der größte Akt aber wird ab August die Eröffnung des Humboldt Forums sein. Zwar ist das Stadtschloss kein Bauprojekt der Stiftung, sondern des Bundes. Die darin gezeigten außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen sind jedoch das Rückgrat des Humboldt Forums, wie Stiftungspräsident Hermann Parzinger es formuliert. Durch Verzögerungen im Innenausbau sind das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst beim offiziellen Auftakt im Herbst noch nicht dabei. Sie starten voraussichtlich ein halbes Jahr später, mit Glück im Frühjahr 2020. Auf alle Fälle folgt deren Eröffnung nach denen der beiden anderen Aussteller im Haus, der Humboldt Universität und der Stiftung Stadtmuseum. Bis Ende 2020 soll der Betrieb dann vollständig aufgenommen sein.

Einen guten Eindruck macht das nicht, es sieht nach einem verstolperten Start aus. Die stufenweise Eröffnung käme den Besuchern entgegen, die auf diese Weise das Haus sukzessive für sich entdecken könnten, heißt es nun. Ebenso den Akteuren, die mit jeder weiteren Teileröffnung die volle Aufmerksamkeit des Publikums erfahren können. Die Öffentlichkeit hat das Humboldt Forum in den letzten Jahren allerdings vor allem durch die Debatte um Kunst aus kolonialem Kontext verstärkt wahrgenommen. Inzwischen interessiert zuallererst, wie die Kuratoren der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sich dieser Problematik stellen werden, ob und wie sie ihre Schätze im Spannungsfeld der political correctness präsentieren werden.

Die Besucherzahlen sinken schon seit 2010

Aber schon jetzt, 2019, sollte es besser werden für die Staatlichen Museen – und nicht erst im Jahr darauf. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz braucht gute Nachrichten. Das vergangene Jahr endete für sie mit einem Bashing in den Medien: zu wenig Besucher, zu wenig interessante Ausstellungen, zu viele Baustellen.

Generaldirektor Michael Eissenhauer findet die harsche Kritik höchst ungerecht. Dass sich die Besucherzahl im letzten Jahr bei 3,5 Millionen mit einer leichten Aufwärtstendenz stabilisiert hat, sei angesichts der Schließungen von Pergamonmuseum und Neuer Nationalgalerie doch erst einmal positiv zu bewerten, sagt er. Allerdings haben sich die Zahlen schon seit 2010 um 1,2 Millionen reduziert, in Hunderttausender-Schritten.

Den Vergleich mit dem Metropolitan Museum in New York, das 2017 sieben Millionen Menschen besuchten, und mit den acht Millionen Besuchern des Pariser Louvres will Eissenhauer ebenfalls so nicht gelten lassen. Dort werde anders gezählt. In Berlin wird das Ticket für einen Museumsschwerpunkt, etwa die Museumsinsel, nur einmal gerechnet, nicht pro Sammlung wie in anderen Metropolen. Wenn die Stiftung Anfang Februar wie alle Jahre wieder ihre Besucherstatistik vorlegt, dann wird zum Vergleich erstmals eine zweite Zahl präsentiert, die dem internationalen Rechenmodus entspricht und sich für die Verantwortlichen der Stiftung sehr viel besser anfühlt. Verdoppeln werden sich die Besucherzahlen allerdings nicht, das lässt sich absehen.

"Hello World" verzettelte sich im Hamburger Bahnhof

Vehement verteidigt Eissenhauer auch die Gemäldegalerie, deren Direktor er seit 2016 zusätzlich ist, gegen den Vorwurf vermeintlicher Leere in den Sälen. 300 000 Besucher seien doch ein hervorragendes Ergebnis für eine Altmeistersammlung, findet er. Und wenn hier ab 1. März die große „Mantegna und Bellini“-Ausstellung zu sehen ist, dann soll die von der National Gallery als Londoner Erststation voraussichtlich erreichte Marke von 100 000 Besuchern auf alle Fälle überflügelt werden.

Auf den beiden Renaissance-Meistern ruhen alle aktuellen Hoffnungen der Staatlichen Museen, denen es im vergangenen Jahr an Glanzpunkten mangelte. Die Großausstellung „Hello World“, die sich über den kompletten Hamburger Bahnhof verteilte, wenn nicht verzettelte, machte es nicht wett. Zwar pflegte sie verdienstvollerweise einen Dialog mit der Kunst anderer Weltgegenden, doch Glamour bescherte sie nicht. Die Frankfurter Schirn und das Städel mit ihren Sonderausstellungen verstehen sich besser darauf als die Museen der Bundeshauptstadt, sie werden Eissenhauer und Co. denn auch gern als Gegenbeispiel vorgehalten. Oder das Museum Barberini in Potsdam, das 2018 ebenso viel Publikumszulauf hatte wie die Gemäldegalerie. In Frankfurt/Main wie in Potsdam sind die PR-Abteilungen allerdings von Anfang an in die Planung mit einbezogen und kümmern sich um die attraktive Verpackung. Konzepte werden gemeinsam entwickelt. Wer in Berlin die Direktoren von Bodemuseum oder Kupferstichkabinett kennt, weiß, wie sie für ihre Sammlungen brennen. Nur muss der Funke auch auf das große Publikum überspringen. Dafür wird zu wenig getan.

Ein Mehltau liegt auf den Schätzen der Staatlichen Museen

Aussicht auf Änderung besteht bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eher nicht, betrachtet man allein die Lage am Kulturforum. Bis heute hat niemand dafür eine Lösung gefunden, die unselige Piazzetta aufzupeppen und den Besuchern einen lustvollen Zutritt zu der hier kasernierten Gemäldegalerie, dem Kunstgewerbemuseum, dem Kupferstichkabinett und der Kunstbibliothek zu verschaffen. Seit 2015 wird die Neue Nationalgalerie saniert, ein bräunlicher Bretterzaun mit halb abgerissenen Plakaten umschließt sie, das Gelände zur Philharmonie dominieren Bagger und rotweiße Barken. Statt die Sammlung woanders in der Stadt zu zeigen oder werbewirksam auf Reisen zu schicken wie das Museum of Modern Art vor 14 Jahren spektakulär in Berlin, werden im Hamburger Bahnhof nur homöopathische Dosen gereicht. Die Baustellensituation am Kulturforum bleibt die nächsten Jahre erhalten, wenn auch noch der Aushub für das Museum der Moderne an der Potsdamer Straße begonnen hat. Steht erst die von Herzog & de Meuron entworfene „Kunstscheune“, dann sind die dahinter gelegenen Museen endgültig abgehängt. Noch trübere Zeiten für Vermeer, Botticelli und Rembrandt, mit denen sich eigentlich prunken lässt.

Ein Mehltau liegt auf den Schätzen der Staatlichen Museen, das spürt auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, deren Stiftungsrat sie vorsitzt, für ihre zweite Amtszeit vorgeknöpft hat. Es wird gemunkelt, sie wolle die Stiftung zerschlagen. Womöglich hat der Zusammenschluss von Staatlichen Museen, Staatsbibliothek, Geheimem Staatsarchiv, Ibero-amerikanischem Institut und Staatlichem Institut für Musikforschung nach 60 Jahren unter einem Dach nicht länger Bestand. Außenstehenden leuchtete er ohnehin nie ein. Seit einem Jahr evaluiert der Wissenschaftsrat den Koloss, jedes Institut und jede Sammlung wird einer Prüfung unterzogen. Nächstes Jahr soll das Ergebnis vorliegen. 2019 wird für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz also entscheidend sein, vor und hinter den Kulissen. Heiliger Mantegna, steh’ bei!

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