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Kultur: "Die Krötenküsser": Pate aussterbender Arten - Günter Seuren verkriecht sich in einem literarischen Biotop

Bücher über Schriftsteller, die Probleme beim Schreiben haben, sollten eigentlich verboten werden, entstünden nicht gelegentlich wunderbare Romane. Günter Seuren, der wie Rolf Dieter Brinkmann einst zum Umfeld der Kölner Gruppe des Neuen Realismus gehörte, unterzog die Wirschaftswundergemütlichkeit in seinem Erstling "Das Gatter" einer ätzend genauen Betrachtung und fand dafür eine äußerst unterkühlt lakonische Prosa - stille Implosionen, die Brinkmanns nach außen gekehrte Aggression vorwegnahmen.

Bücher über Schriftsteller, die Probleme beim Schreiben haben, sollten eigentlich verboten werden, entstünden nicht gelegentlich wunderbare Romane. Günter Seuren, der wie Rolf Dieter Brinkmann einst zum Umfeld der Kölner Gruppe des Neuen Realismus gehörte, unterzog die Wirschaftswundergemütlichkeit in seinem Erstling "Das Gatter" einer ätzend genauen Betrachtung und fand dafür eine äußerst unterkühlt lakonische Prosa - stille Implosionen, die Brinkmanns nach außen gekehrte Aggression vorwegnahmen.

Es bietet sich an, das im letzten Jahr bei Rotbuch neu aufgelegte "Gatter" mit seinem jüngsten Roman "Die Krötenküsser" zu vergleichen. Was bleibt, wenn der Hass auf die bürgerlich situierte Gesellschaft sich verbraucht hat? Wenn man mehr oder weniger arriviert ist? Offenbar nicht viel mehr als ein Abgleiten in resignative Spannungslosigkeit. Man kann daraus nur erahnen, was auch aus Brinkmann hätte werden können.

Die Erzählerfigur aus den "Krötenküssern", ein Schriftsteller, dessen Erfolg schon länger zurückliegt, begibt sich in ein freiwillige Exil und buddelt zusammen mit dem ehrgeizigen Biologiestudenten Staudinger irgendwo im Münchner Norden an einem Biotop. Die Wechselkröte soll wiederangesiedelt werden. Dafür darf er einen städtischen Pass als "Pate aussterbender Arten" mit sich führen. Die Jahreszeiten vergehen. Ob wir uns in den Achtzigern oder Neunzigern befinden, ist schwer auszumachen, denn es dreht sich alles nur um dieses namenlose Ich und sein Biotop. Einmal glaubt man bei der Lektüre: Jetzt passiert etwas. Eine Bank wurde ausgeraubt. Aber auch das geht vorüber. Staudinger plant das Perfekte, die verwaltete Natur.

Sein Biotop wird so etwas wie eine Kröten-Versuchsanstalt, in der die Tiere massenweise krepieren. Staudinger will nur seine Thesen bewiesen haben, mehr nicht. Aber die Figuren belegen umgekehrt auch nur Seurens Thesen. Sie bleiben vorhersehbar. Genauso wie der Stadtrat Kobler, der das Biotop abschaffen will. Man ahnt: Auch er ist ein Wiedergänger aus dem Gatter, ein Arisierungsgewinnler.

Hass schärft den Blick

Sicher, das alles ist hochsymbolisch, vielleicht auch metaphorisch oder gar allegorisch gemeint : Dreht sich nicht alles um die Kröten? Aber es reicht bestenfalls für einen Kalauer. Im Flachen zieht Seuren seine Kreise. Im Grunde ist er aus dem "Gatter" nie herausgekommen. Noch immer schreibt er an der gleichen Figur. Hass kann schön und produktiv sein. Kalter Hass lässt einen die anvisierten Objekte sezieren. Der Blick wird genauer. Mittlerweile hat Seuren alles in Schubladen geordnet. Seine Figuren bekommen zwar ein kritisches Etikett verpasst, aber es ist doch ein gemütlicher Blick auf sie. Man kennt sie ja schon so lang.

Tomas Fitzel

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