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Blick in die Koje des Pariser Galerie Sismann

© Brafa / Eric Charneux

Die Kunstmesse Brafa: Schätze des Himmels

Die Brüsseler Kunst- und Antiquitätenmesse Brafa inszeniert sich als Wunderkammer vom Mittelalter bis zur Raumfahrt.

Der Anzug hat eine Geschichte zu erzählen: 130 Tage, 20 Stunden und 35 Minuten war „Sokol kv2“ im All. Natürlich nicht allein. Im weißen Raumanzug mit seinen Schläuchen, Abzeichen und dem undurchdringlichen Dunkel des Helms steckte 1987 der sowjetische Kosmonaut Gennadi Michailowitsch Strekalow.

Erwähnenswert ist der Auftritt der 130 000 Euro teuren Hülle allein schon, weil sie auf der Brafa in Brüssel hängt – einer Messe, die für Kunst aller Epochen wie für exquisite Antiquitäten steht und seit Jahren zu den besten europäischen Adressen für Sammler aus aller Welt zählt. 134 Aussteller sind diesmal dabei, angereist aus London, Paris oder Salzburg. Die Galerie Theatrum Mundi ist im italienischen Arezzo zu Hause, ihre jungen Gründer verstehen sich als Pioniere einer modernen Wunderkammer für das 21. Jahrhundert. Das erklärt, weshalb der russische Raumanzug sowohl um prähistorische Schädel als auch diverse Objekte aus Filmproduktionen ergänzt wird: Freunde der Ninja Turtles können ein krötengrünes Ganzkörperkostüm erwerben, in das sich einst ein Schauspieler des ersten „Turtels“-Films von 1990 zwängte.

Vorgestern Alltagsobjekt - heute Sammlerstück

Solche Exponate mischen die klassischen Kojen mit ihren antiken Münzen, ägyptischen Statuen und Ikonen, wie sie die Galerie Brenske aus München ein paar Gänge weiter zeigt, ziemlich nonchalant auf. Doch sie zeigen darüber hinaus, wie sich der Markt sukzessive verändert. Was vorgestern noch Requisit mit Gebrauchswert war, kann morgen zum Sammlerstück avancieren.

Dem Einfallsreichtum scheinen kaum Grenzen gesetzt. Clara Scremini, Pionierin für kunstvoll gemachtes Glas und Keramik, präsentiert auf ihrem Stand Vasen aus Murano. Andere Händler bieten Couchtische oder Sessel an, deren Design noch vor einem Jahrzehnt ganz sicher nicht dernier cri war. Und bei N. Vrouyr aus Antwerpen hängt auf fast zehn Metern Länge an der Wand ein brauner Teppich von 1930, dessen einziger Schmuck ein Randmuster im späten Art-Déco-Stil ist. Man steht davor, schaut auf eine schmucklos braune Fläche und fragt sich, ob das hier wirklich ein Fall für die Brafa ist. Was für ein Kontrast zum anatolischen Tülü von 1900 in derselben Koje! Ein echtes Meisterwerk mit anarchisch langem Flor in Knallfarben, das ebenso den Siebzigern entsprungen sein könnte. Eine Ecke des Teppichs ist umgeschlagen, seine Rückseite zeigt ein traditionelles florales Muster.

Solche Kontraste prägen den aktuellen Auftritt der Messe. Spitzenstücke neben experimentellen Objekten, die sich noch nicht am Markt etabliert haben. Dazu gesellen sich teure, sexistische Staubfänger wie die sattsam bekannten Pin-up-Girls eines Mel Ramos. Dass eins von ihnen am Stand der Pariser Galerie Patrice Trigano aus einer Bananenschale springt, ist eigentlich schon Kitsch genug. Dass Künstler und Galerist aber dazu auf eine monumentale Ausführung der Skulptur in Bronze verfielen, macht die Kunst des alternden Pop-Artisten ähnlich schwer erträglich wie das Spiegel-Kabinett von David LaChapelle bei Maruani Mercier.

Weniger wäre da mehr, auch aus Respekt vor jenen Händlern, deren Exponate auf andere Art sensationell sind. Serge Schoffel zum Beispiel zeigt historische Kopfbedeckungen aus Papua-Neuguinea. Sie waren Teil einer großen amerikanischen Sammlung, nun bietet der Brüsseler Händler die ornamentalen, aus Muscheln, Federn oder menschlichem Haar gemachten Kostbarkeiten zu moderaten Preisen zwischen 1500 und 8500 Euro an. Dass er auch anders kann, zeigt ein verwitterter hölzerner Kopf des frühen 16. Jahrhunderts aus derselben Region, der 200 000 Euro kosten soll. Was immer noch wie ein Schnäppchen wirkt im Vergleich zu jenen vier Millionen Euro, die die Boon Gallery aus Knokke für René Magrittes um 1930 entstandenes Gemälde „L’Oracle“ verlangt. Bei Klaas Muller, der eine barocke Jagdszene aus den Malerhänden von Peter Paul Rubens (Menschen), Paul de Vos (Hunde) und Jan Wildens (Landschaft) dabei hat, wird schließlich gar nicht über Geld gesprochen; dabei dürfte die kapitale Leinwand zu den teuersten Stücken der Messe gehören.

Zeichnungen sind vergleichsweise preiswert

Nach wie vor klaffen die Preise auseinander. Wo Malerei und große Namen wie Hans Hartung, Picabia oder Alex Katz zusammenkommen, schießen die Erwartungen rasch in die Höhe. Zeichnungen sind dagegen weiterhin erschwinglich. Die Genfer Galerie Schifferli liefert den Beweis dafür. Mit einer abstrakten Worpsweder Landschaft von Bram van Velde (1923) für 30 000 Euro ebenso wie mit – schnell verkauften – Blättern von Carlos Saura oder Otto Freundlich, dessen kleine, abstrakte Komposition für 17 000 Euro erhältlich war.

Ähnlich unterschiedlich fallen die Ansagen jener Galerien aus, die für chinesisches Porzellan, Tribal Art, sakrale Statuen, ägyptische oder indonesische Skulpturen zuständig sind. Ihre Händler orientieren sich an Kriterien wie Alter, Zustand, Provenienz und Seltenheit. Wer kein Experte ist, muss sich da auf ihr Urteil verlassen. Er lernt aber auch mit jeder neuen Brafa, diesem universalen Museum auf Zeit. Dafür genügt schon ein Vergleich der Kojen von Poenix Ancient Art (Genf), die jedes ihrer antiken Exponate sorgfältig auf Sockeln unter Glas arrangieren, mit dem Gesamtkunstwerk von Steinitz. Der Spezialist für europäische Kunst des 17. bis 19. Jahrhunderts lädt in einen Saal mit historischem Parkett, barocken Spiegeln und Mobiliar, das einen eklektischen Salon nachstellt. Nicht alles hier ist top, doch zusammen atmet es den Geist vergangener Epochen, die sich am dekorativen Überschwang delektierten. Man muss nicht gleich ein Vermögen ausgeben, man kann auf der Brafa erst einmal schauen und verstehen.

Brafa, Tour & Taxis, Avenue du port 86C, Brüssel; bis 4.2. www.brafa.art

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