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Kultur: Die Legende von Paulus und Paula Der Vatikan veröffentlicht „Schwulen-Instruktion“

Er gilt als Patron der Seminaristen und der Pestkranken: Der Mailänder Bischof Karl Borromäus, Erneuerer der Priesterausbildung. An seinem Gedenktag, dem 4.

Er gilt als Patron der Seminaristen und der Pestkranken: Der Mailänder Bischof Karl Borromäus, Erneuerer der Priesterausbildung. An seinem Gedenktag, dem 4. November, hat der Vatikan eine „Instruktion über Kriterien zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priesterseminar und zu den Heiligen Weihen“ erlassen. Gestern wurde der Text offiziell publiziert. Sollte seine Umsetzung gelingen, dürfte sich das Erscheinungsbild des Klerus ändern, der weltweit zu einem Fünftel, in den USA zu zwei bis drei Fünfteln aus Homosexuellen bestehen soll. Schwule Kandidaten, die in hiesigen Seminaren bisweilen 30 Prozent eines Jahrgangs ausmachen, müssen künftig vor der Weihe zum zölibatären Diakon drei Jahre lang die Überwindung ihrer Neigung beweisen.

Bislang hatte die Obrigkeit zwischen sexueller Handlung, die keinem Zölibatär erlaubt ist, und homosexueller Neigung, die nicht als Sünde gilt, unterschieden. Mit der Ausmusterung schwul Veranlagter endet ein disziplinärer Schwebezustand. Als Argument dient, motiviert durch Missbrauchsskandale, das pastorale Profil: für „korrekte Beziehungen“ zu Männern und Frauen und zur Erfahrung „geistlicher Vaterschaft“ brauche man „affektive Reife“. Dass Homosexuelle unreif bleiben, unterstellt man – während die kasernierte Verbiegung der Aspiranten zu verklemmten und verkorksten Jungklerikern oft, als Kollateralschaden des Seminarsystems, in Kauf genommen wird.

Nach dem Zweiten Vatikanum war in der Kirche noch das „viri probati“-Gespenst umgegangen. Dieser Plan, gestandene Ehemänner zur Weihe zuzulassen, wurde aus Furcht um den Zölibat eingemottet; er verwies nicht nur auf verheiratete Priester in der Antike, sondern auf die Plausibilität eines höheren Ordinationsalters. „Presbyter“ (gleich Priester) bedeutet „Ältester“: Das wären dann erprobte Männer mit biografischen Brüchen.

Brüche integrieren bedeutet ja nicht, Traditionen abzubrechen. Das biblische Menschenbild der Zuordnung von Mann und Frau lässt sich nicht per Diskriminierungsvorwurf verwerfen. Wer in einer Kirche mit solch einem Menschenbild arbeiten will, muss ertragen, dass er manchem Ideal nicht entspricht. Der Apostel Paulus hat diese Differenz den „Stachel im Fleisch“ genannt, einen „Boten Satans, der mich mit Fäusten schlägt“. Seitdem rätseln Exegeten, ob damit seine Epilepsie oder Misserfolge gemeint waren; sicher gibt es auch die Deutung, der ledige Pädophilen- und Frauenverächter sei schwul gewesen. Er selbst interpretierte seine „affektive Reife“ als dialektisches Christus-Erlebnis: „Wenn ich schwach bin, bin ich stark.“ Lieber Papa Ratzinger, der Sie diese Instruktion unterschrieben haben: Etwas mehr Dialektik hätte man schon erwartet.

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