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Kultur: Die letzte Platte

Bernhard Schulz über einen kleinen Stolperstein der Berliner Republik Sang und klanglos konnte dieser Tage der angekündigte Abriss des Plattenbaus an der Luisenstraße 22-30 zur Kenntnis genommen werden. Demonstrationen aufrechter Mieter oder gar der ihnen verbundenen PDS wurden nicht gemeldet.

Bernhard Schulz über einen

kleinen Stolperstein der Berliner Republik

Sang und klanglos konnte dieser Tage der angekündigte Abriss des Plattenbaus an der Luisenstraße 22-30 zur Kenntnis genommen werden. Demonstrationen aufrechter Mieter oder gar der ihnen verbundenen PDS wurden nicht gemeldet. Es ist ja auch kaum jemand verblieben. Die Namensschilder an den Briefkästen täuschten seit langem eine weit stärkere Wohndichte vor, als den Tatsachen entsprach. Viele Cleverles hatten sich längst neue Wohnungen gesichert und warteten allein noch darauf, den „vergoldeten Handschlag des Bundes“ (Tagesspiegel vom 6. April) entgegenzunehmen.

Ein Randvorfall der Hauptstadtwerdung Berlins wird damit endgültig zur Fußnote. Der Plattenbau aus spätesten DDR-Tagen, unmittelbar an der „Staatsgrenze West“ gelegen und entsprechend zuverlässigen Bürgern vorbehalten, fand sich mit dem Entwurf von Axel Schultes für das „Band des Bundes“ ab 1994 mitten im künftigen Getriebe der Hauptstadt – als Fremdkörper. Doch der Bundestag, politisch Herr des Verfahrens, scheute die Konfrontation mit den ursprünglich 172 Mietparteien. Den Vorwurf der Enteignung mochten die Abgeordneten nicht hören müssen – und hofften allenfalls auf die zermürbende Gegenwart der Baumaschinen, die ab 1997 den Luisenblock der Bundestagsbüros errichteten.Unter dem Namen Marie-Elisabeth-Lüders-Block steht er kurz vor der Vollendung.

Nur schade: Wegen des Plattenbaus konnte Architekt Stephan Braunfels nicht bis an die Luisenstraße heran planen, sondern musste die Fassade in gehörigem Abstand vorsehen. Das großartige Ensemble der über die Spree reichenden Gebäudespange – versteckt hinter der Tristesse eines Plattenbaus! Das wäre wahrlich kein Ruhmesblatt für den Bundestag geworden. Mit dem Abriss des ohnehin arg sanierungsbedürftigen Plattenbaus lässt sich dieser Fehler korrigieren; Braunfels hat die nötige Verlängerung des Bundestags-Blocks bereits vorgesehen.

Allerdings, so hört man, fehlt es mittlerweile am Geld. So möge wenigstens eine hübsch gestaltete Grünfläche daran erinnern, welche Schildbürgerstreiche mangelnder politischer Mut zeitigen kann.

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