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Kultur: Die Liebe, ein Teuro

Fassbinders „Kaffeehaus“ im Rangfoyer des Berliner Ensembles

Tische, an denen man seinen Cappucino schlürfen könnte, gibt es in diesem „Kaffeehaus“ nicht. Ein Sitzplatz gebührt hier lediglich der Wirtin: Signora Ridolfo thront auf einem hohen, schlanken Podest, eine profane Säulenheilige, die, einen Herrenhut auf dem Kopf, mit strengem Blick über ihr kleines Reich herrscht. Es ist dies, vor marmornen Pfeilern, die eine Spiegelwand umfassen, eine spiegelglatte Fläche, auf der man leicht ausgleiten kann. „Das Leben ist eine Rutschbahn“, die Erkenntnis, zu der Frank Wedekind seinen hochstapelnden Marquis von Keith vor hundert Jahren gelangen lässt, gilt auch für diesen den alten Goldoni und den jungen Fassbinder mixenden Theaterabend.

Das Rangfoyer des Theaters am Schiffbauerdamm dient damit als eine Spielstätte, an der das Berliner Ensemble, entweder vor oder nach der Vorstellung im Hauptprogramm, eine zusätzliche Aufführung bieten kann. „Das Kaffeehaus“, Goldonis Komödie in Rainer Werner Fassbinders Adaption aus dem Jahr 1969, kommt hier nicht etwa als szenische Lesung auf Sparflamme daher. Die junge Regisseurin Eva Rößler und ihr Team (Bühne: Heike Vollmer, Kostüme: Jessica Karge, Licht: Konrad Lindenberg) haben vielmehr einen kompakten 90-Minuten-Abend gestaltet, unterlegt mit diversen musikalischen Zitaten aus Oper und Pop.

Die Doyenne des Ensembles, Eleonore Zetzsche, mit bewundernswertem Ausharrungsvermögen auf ihrem Hochsitz hockend, ist der ruhende Pol des turbulenten Machtkampfes zwischen Männern und Frauen; mit sarkastisch knarzender Stimme kommentiert sie das Wechsle-das-Bäumchen-Spiel, das auf ein Wechsle-das-Geld hinausläuft. Alles dreht sich hier ums Geld, und so wird jede Summe, die da im Glücksspiel um Gewinn und Verlust genannt wird, prompt umgerechnet von venezianischen Zechinen in Dollar, Schilling und Mark – einmal, Fassbinder aktualisierend, auch in Euro.

Wer so schlagfertig seinen Wert einschätzt, ist die Tänzerin Lisaura, die um die Gunst des falschen Grafen Leander buhlt: Ursula Höpfner, eine spitzzüngige Salonschlange, hat in Jürgen Lehmann einen Partner, der sich mit Aplomb in Macho-Posen wirft. Sein unglücklicher Gegner, mit gezinkten Karten leicht abzuzocken, der biedere Kaufmann Eugenio, ist Philippe Graber – die Naivität, mit der er sich vorstellt, welche Summe sich mit täglichem Spiel lebenslang ergattern ließe, macht Effekt. Schein und Sein in einer Welt des Kapitals veranschaulicht Eva Rößlers stilsichere Inszenierung mit passendem Lichtwechsel: Das warme Goldgelb, in dem die Liebe erstrahlt, muss im harten Alltag einem eiskalten Weiß weichen. Günther Grack

Weitere Vorstellungen: 3. und 23. 9., 3. 10.

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