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Kultur: Die liebe Verwandtschaft

"Wohin der Weg mich führet, - hat überall ein Herd gebrannt - Nur hab ich nie gespüret, - was Heimat ist und Vaterland": ein Gedicht von Hermann Hesse. Die Japanerin entdeckte es vor zwölf Jahren für sich - in Australien, wo sie zur Schule ging.

"Wohin der Weg mich führet, - hat überall ein Herd gebrannt - Nur hab ich nie gespüret, - was Heimat ist und Vaterland": ein Gedicht von Hermann Hesse. Die Japanerin entdeckte es vor zwölf Jahren für sich - in Australien, wo sie zur Schule ging. Seit zweieinhalb Jahren lebt Chiharu Shiota in Deutschland. So ist es nur naheliegend, daß Fragen nach Identität und kulturellen Wurzeln im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen.

Ihre Ausstellung "Dialogue from DNA" geht dabei von der Fragestellung aus, ob der Gedanke des Verlusts, diese "Sehnsucht in ihrem Körper", wie Shiota sie nennt, in ihrem Erbgut festgelegt sein könnte. Vier Installationen ergeben bei Asian Fine Arts stimmiges Raumensemble (zusammen 40 000 Mark). Die Fotowand "My Cousins Face" (4000 Mark) war bereits im Kunstverein Hannover zu sehen. Sie vereint eine kleinteilige, endlos wirkende Reihe von Gesichtern und Porträts und beleuchtet über Generationen die komplexen Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Familien Honda und Shiota. Wie ein Memorial oder Schrein bildet dieser Stammbaum den Hintergrund für das zentrale Hauptwerk in der Mitte des Raums: ein fragiles Haus, dessen filigrane Wände aus einem feinmaschigen Netz von Bambuseßstäbchen gebildet sind. Die Stützbalken der Rahmenkonstruktion sind verkohlt. Schuhe stehen darin, rote, strahlenförmig von einem imaginären Fixpunkt ausgehende Fäden verbinden sie und fesseln sie zugleich aneinander. "Dreaming Time", so der Titel der Arbeit (30 000 Mark), geht auf Shiotas letzten Besuch in Japan zurück. Ihre Eindrücke und Emotionen brachte die Künstlerin auf die knappe Formel: "Meine Schuhe passen mir nicht mehr" - Synonym für den Verlust der asiatisch geprägten Identität.

Für die stille, melancholische Trauer um Verlorenes und den Drang zum Aufbruch findet Shiota mit "Dreamig Time" die poetische Form eines luftigen Schwebezustands, deren improvisierter Charakter etwas unmittelbar Anrührendes hat. Die Werkserie "Bondage" (500 bis 1800 Mark) stellt dem eine Ansammlung von Spielzeugpuppen gegenüber, die die Künstlerin einem magischen Ritual unterzog. Sie hat sie beerdigt und wieder exhumiert. Die erdverschmierten Puppen sind nun mit Stricken an die Galeriewand gefesselt, als handle es sich um die Geister ihrer Kindertage, deren geheime Kräfte es zu bändigen gilt.

In den kleinen, eher beiläufig erscheinenden Gesten liegt Shiotas Stärke. Inzwischen sind die ersten Talent-Scouts der Kunstszene auf die 27jährige aufmerksam geworden. Im September wird sie neben Künstlern wie Günther Uecker und Bruce Nauman an der Ausstellung "Open 99" anläßlich des internationalen Filmfestivals von Venedig teilnehmen.

Asian Fine Arts Factory, Sophienstraße 18, bis 17. Juli; Dienstag bis Sonnabend 12 - 19 Uhr.

ELFI KREIS

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