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Die Macherinnen der ARtfi-Konferenz: Die Seele und das Schuhwerk

Die israelischen Galeristinnen Aya Shoham und Shiri Benartzi haben das Konzept zur ArtFinance-Konferenz entwickelt. Nach Erfolgen in Tel Aviv importieren sie es nun auch nach Berlin.

Turnschuhe anziehen und laufen, laufen, laufen, das ist der erste Ratschlag, den die israelische Galeristin Aya Shoham angehenden Kunstkäufern mit auf den Weg gibt. Beim Besuch von Galerien und Museen sollten sie herausfinden, welche Werke ihr Herz höher schlagen lassen. „Die Kunst ist für die Seele“, sagt auch ihre Geschäftspartnerin Shiri Benartzi. Aber Leidenschaft ist erst der Anfang, danach zählen Kenntnisse. Lesen, lautet der zweite Tipp von Aya Shoham, sich mit Geschichte und Hintergrund der Arbeiten vertraut machen. Und schließlich warnt sie davor, Trends zu folgen. Kunst ist „serious stuff“, meint sie, viel zu ernst, um Moden und Marken hinterherzulaufen. „Mit Kunst verbringt man sein Leben.“

Wenn man diese mitreißende Mischung aus Elan und Enthusiasmus erlebt, versteht man, warum die Idee für eine internationale Konferenz über Kunst und Handel abseits der Trampelpfade des Marktes in Tel Aviv entstand. Hier leiten Aya Shoham und Shiri Benartzi, die beiden Gründerinnen von ARTfi – The Fine Art and Finance Conference, die Artstation Gallery. Sie residiert im hippen Viertel HaTachana, auf dem Gelände der historischen Eisenbahnstation. In dem Gebäude aus dem Jahr 1904 befand sich einst Israels erste Fabrik für Baumaterial, das an Ort und Stelle auf die Züge von Jaffa nach Jerusalem verladen werden konnte. Die weitläufigen Räume unter dem offenen Dachgebälk bilden den historischen Rahmen für die zeitgenössische Kunst.

Die beiden Galeristinnen sind in Israel aufgewachsen, kennen sich seit Schulzeiten. Aya Shoham studierte erst Philosophie und Psychologie, dann Kunsttherapie an der Universität Haifa. Während des Studiums organisierte sie Ausstellungen und Konferenzen. Shiri Benartzi malte. Als sie nach New York zog, verkaufte sie alle ihre Bilder und merkte dabei, dass ihr das Geschäft mit der Kunst Spaß macht. Im Studium spezialisierte sie sich auf Kunst als alternative Vermögensanlage, arbeitete in der Gagosian Gallery, in der Abteilung für zeitgenössische Kunst von Sotheby’s und als Beraterin. Bei allen ihren Kunden, erzählt sie stolz, habe sich der Wert an der Wand erhöht, aber kein einziger Sammler habe ein Kunstwerk wieder verkauft. Als sie eine Familie gründete, kehrte sie mit ihrem Mann zurück nach Tel Aviv, in die Nähe ihrer Eltern.

2011 eröffneten Aya Shoham und Shiri Benartzi die Artstation. Die Galerie zeigt israelische und internationale Kunst. Vor zwei Jahren ging die Ausstellung „Sleeping in my bed“ zum Beispiel der politischen Situation in Israel nach. Für eine der stärksten Arbeiten hält Aya Shoham das Video von Ori Levin. Zur Musik von „I put a spell on you“ blendete der Künstler mit einem kleinen Handspiegel den Felsendom aus dem Stadtbild von Jerusalem aus. Der Spiegel blockierte die ewigen Schuldzuweisungen zwischen den Religionen und warf die Verantwortung auf die Betrachter zurück.

Im Hafen von Tel Aviv gründeten die beiden Galeristinnen Artland, eine Mitmach- und Erlebnisausstellung für Kinder. Da können junge Besucher ausprobieren, welche Farben sie zu welcher Musik wählen, sie können in Originalkostümen in ein Bild einsteigen oder die haptischen Qualitäten unterschiedlicher Materialien ertasten.

Mit der ARTfi-Konferenz schließlich wollen Aya Shoham und Shiri Benartzi die geschlossene Gesellschaft des Kunstmarktes für neue Käufer öffnen. Als Art Consultants haben sie die Erfahrung gemacht, dass viele potenzielle Kunden sich nicht an das Geschäft mit der Kunst trauen. ARTfi soll ihnen Einblicke in die Mechanismen des Marktes liefern. Gleichzeitig versteht sich die Konferenz als Forum, bei dem Spezialisten aus Museen, Auktionshäusern und Galerien Gelegenheit haben, sich im geschäftsfreien Raum auszutauschen. „Jede Branche hat ihre internationale Konferenz, warum nicht auch der Kunsthandel“, meint Aya Shoham.

Zweimal hat die Tagung bereits in Tel Aviv stattgefunden, 700 Besucher kamen ins Habima Theater. Ein messbarer Erfolg bestand darin, dass die Daimler Art Collection 30 Werke von israelischen Künstlern erwarb und 2013 die Privatsammlung von Doron Sabbag zu einer Gastausstellung nach Berlin einlud. In diesem Jahr werden zwei Künstler aus Israel mit Ausstellungen bei der Art Week zu sehen sein: Moshe Gershuni in der Neuen Nationalgalerie und Ilit Azoulay in den Kunst-Werken. Auch wenn das nicht direkt auf die Konferenzen in Tel Aviv zurückzuführen ist, gibtes doch erwünschte Nebenwirkungen, wenn sich Kunstafficionados versammeln.

ARTfi soll eine Kettenreaktion auslösen und Verbindungen herstellen zwischen der lokalen- und der globalen Kunstszene. Deshalb möchten Aya Shoham und Shiri Benartzi ihr Konzept auf andere Orte übertragen. Berlin bietet sich an, denn die Stadt ist für internationale Gäste während der Art Week doppelt attraktiv. Nach zweijähriger Recherche haben die beiden Kunsthändlerinnen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Berlin und Tel Aviv festgestellt. Beide Märkte sind erst in den letzten dreißig Jahren entstanden, die Kunst ist vergleichsweise preiswert, frisch und unverstellt. Beide Städte liegen an politischen Brennpunkten, die Künstler verhandeln Konfliktstoff. Tel Aviv ist jedoch mit knapp vierzig Galerien und etwa fünf ernsthaften Sammlern deutlich kleiner als Berlin. In Israel geben die Vermögenden ihr Geld lieber für Autos oder Uhren aus, meint Aya Shoham. Die Berliner sparen eher an ihrem Sofa, hängen sich dafür ein Bild an die Wand. Aber, glaubt die Galeristin, es gibt genug Geld auf der Welt. Man muss Anleger nur überzeugen, es für Kunst auszugeben.

Bei aller Energie und Entrepreneurship schwingt im Gespräch mit beiden Galeristinnen doch immer auch die unterschwellige Sorge um die Familie mit. Der Waffenstillstand in Israel bleibt zerbrechlich. Vor diesem Hintergrund erhält die globalisierte Kunstwelt fast gesellschaftspolitische Funktion. Sie bildet ein Gegenmodell zur Engstirnigkeit von religiösem und nationalem Fanatismus.

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