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Kultur: Die Matadorin

Wenn ein spanisches Tanzensemble mehr Zeit auf Tourneen im Ausland als in der Heimat verbringt, ist das nicht unbedingt ein Gütesiegel.Die Sevillanerin María Serrano etwa, ein von André Heller jüngst in den hiesigen Boulevardhimmel gehobenes Sternchen, ist zu Hause nur eine Tänzerin am Firmament der Mittelmäßigkeit.

Wenn ein spanisches Tanzensemble mehr Zeit auf Tourneen im Ausland als in der Heimat verbringt, ist das nicht unbedingt ein Gütesiegel.Die Sevillanerin María Serrano etwa, ein von André Heller jüngst in den hiesigen Boulevardhimmel gehobenes Sternchen, ist zu Hause nur eine Tänzerin am Firmament der Mittelmäßigkeit.Luisillo dagegen bürgt mit seinem Teatro de Danza Española seit Jahrzehnten für erstklassige Qualität.Obwohl er mit seiner Truppe regelmäßig auf allen Kontinenten gastiert, hat er doch auch die Choreographie zum preisgekrönten "Don Quijote" des Spanischen Nationalballetts entworfen.In Madrid stellt er jedes Jahr eigene neue Produktionen vor.

Dem Berliner Publikum bot Luisillo allerdings ein leicht verdauliches andalusisches Medley.Die Szenen aus "Romeo y Julieta", die den klassischen Stoff von Shakespeare ins Ambiente von zwei Zigeunerfamilien tragen, mochten auf den ersten Blick als pittoreskes Flamenco-Potpourri erscheinen.Doch der Tanz, in diesem Stück noch mehr Flamenco als Ballett, steckte voller Inbrunst, Entschiedenheit und Präzision.María Vivó, die Tochter Luisillos und Primaballerina des großen Ensembles, zeigte dabei eher sparsam-klassizistische Bewegungen als barocke Folklore und übersetzte die unbändige Leidenschaft der Zigeunerin in Synkopen von kluger Grazie.Die faszinierende Synchronität stampfender Absätze, klatschender Hände und schnippender Finger sorgte dafür, daß die Familienclans, die dem Flamenco-Gesang und der Gitarre entgegenliefen, ebenso plastisch wirkten wie die dramatischen Sittengemälde Goyas.

Auch im nachfolgenden Stück "Carmen" wußten Solisten wie Nebendarsteller mit ihrer tänzerischen Präsenz alle Ecken und Winkel der großen Bühne auszufüllen.Hier aber hat Luisillo, zur Musik von Bizet, die schweren Flamenco-Schritte durch die Anmut und Sorglosigkeit der spanischen Zarzuela ersetzt.Und Carmen manövrierte den tumben José mit ihrer Mantille und Mimik ins Unglück wie der behende Matador den wutschnaubenden Stier.Das Finale, von einem mächtigen, tanzenden Chor eingeleitet und kommentiert, gipfelte dann in einem Schrei der Verzweiflung - und der Apotheose des Torero.Selten ist der Carmen-Mythos so ironisch und leichtfüßig, so sauber und farbenprächtig getanzt worden.Im Madrider Teatro Albéniz jedenfalls, der Heimstatt des Teatro de Danza Española, hat man Luisillo schon oft den Beifallsruf "Torero!" entgegengebracht.Hoffentlich auch bald wieder in Berlin.

ROMAN RHODE

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