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Kultur: Die Musik der Straße

FILM

Er trägt braunes, sehr langes Haar und Mittelscheitel. Er trägt roten Bart, der munter sprießt, vor allem am Kinn. Er spielt akustische Gitarre, er trampt, er ist jung. Ja, er sieht aus wie die Leute, die in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts jung waren, ein sympathisches Hippie-Milchgesicht. So ist er in unser Jahrtausend gefallen.

Vardi kommt aus dem fernen Island, das erklärt vielleicht seine gewisse Anderszeitigkeit. Vardi hat das Spielen in Bands satt und will Straßenmusiker werden. Er will sein Glück unten in Europa versuchen, in Europa und seinen aufregend großen Städten.

Und wen trifft er da vor allem? Straßenmusiker. Musiker allerdings, die tatsächlich spätestens in den siebziger Jahren jung waren und heute Übriggebliebene sind. Philosophen und Proleten vor Burger King oder Benetton in Oslo, Hamburg, Paris, Amsterdam oder Berlin. Glückliche und todunglückliche Wracks, die nicht viel mehr als das Spielen und Singen am Leben hält – mit viel gelebtem, zerlebtem Leben in der Stimme.

Vardi goes Europe des 25-jährigen Isländers Grimur Hakonarson – in den Tilsiter Lichtspielen zu sehen – ist ein kleiner, wacher Dokumentarfilm. Eine Meditation über Jugend und Alter und über die Desillusion. Die Polizei der Länder, die Vardi bereist, geht gegen mobile Musiker vor, und die Metropolenmenschen sind oft jedwede Berieselung leid. Dennoch: Es ist eine Unverdrossenheit im Erforschen der fast ausgestorbenen Lebenskunst der Troubadoure, die ansteckt, gegen alle dem Sujet innewohnende Melancholie. Schon recht, manchmal sitzt Vardi mit seinesgleichen ein bisschen lange beim Bier. Aber derlei soll ja auch im richtigen Leben vorkommen.

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