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Kultur: Die Mutter Teresa des Balletts

Einen allein vom Komponisten Udo Zimmermann bestrittenen Abend hat es während der Amtszeit des Intendanten Zimmermann bislang nicht gegeben.Mit einem Ballettabend, der die Uraufführung "Dans la marche" mit der Wiederaufnahme von "Pax questuosa" aus Jahr 1992 kombiniert, eröffnet an der Leipziger Oper die neue Spielzeit.

Von Sandra Luzina

Einen allein vom Komponisten Udo Zimmermann bestrittenen Abend hat es während der Amtszeit des Intendanten Zimmermann bislang nicht gegeben.Mit einem Ballettabend, der die Uraufführung "Dans la marche" mit der Wiederaufnahme von "Pax questuosa" aus Jahr 1992 kombiniert, eröffnet an der Leipziger Oper die neue Spielzeit.Er habe dem ausdrücklichen Wunsch des Choreographen nachgeben, so Zimmermann, ansonsten bleibe er bei seiner Haltung, keines seiner Werke am eigenen Haus aufführen zu lassen."Dans la marche" entstand im Gedenken an den Komponisten Witold Lutoslawskis, wie fast alle Instumentalwerke Zimmermanns wurde es angeregt durch einen Text, hier ein Gedicht von René Char.Unterwegs-Sein ins Unbekannte - die Musik beginnt mit Streichern in den tiefen Registern, aus mehr und mehr Instrumenten wird dichtes klangliches Netz geknüpft und aufgelöst, bis die Entwicklung abbricht.Zimmermann ließ sich vom poetischen Bild anregen, Uwe Scholz zielt in seinem Duo für Roser Muñoz und Christoph Böhm auf eine konkrete historische Situation.Eine Diaprojektion zeigt die Grenzanlagen eines KZ, Suchscheinwerfer reißen die beiden Tänzer auseinander.Wenn die dunkelhaarige Schönheit sich die Bluse aufreißt, soll dies wohl bedeuten, daß sie sich ihren anonymen Peinigern mit verzweifelt-heroischer Haltung selbst preisgibt; die Szene wirkt mißglückt.Am Ende streckt die traumatisierte Frau dem Mann die Hand hin, entzieht sie immer wieder.Scholz entsagt seinem neoklassischen Vokabular, erprobt angesichts der historischen Katastrophe die Kraft des human touch.Bei aller Selbstbeschränkung seiner Mittel kapituliert er vor dem Thema.In Leipzig wird die Existenz der Menscheit verhandelt, Uwe Scholz entwickelt sich zur Mutter Teresa des Balletts.Deutlich sein Bestreben, die Körperkunst durch Spiritualität zu adeln.Auch sein 1992 uraufgeführtes Ballett "Pax questuosa" ist ein Appell, das Mitleiden zu lernen.Choreograph und Komponist erweisen sich als Gesinnungsbrüder.Zimmermanns vokalsinfonisches Werk "Pax questuoa" (Der klagende Friede) von 1982 hat den Gestus einer Bitte um den inneren Frieden.Dem Friedensgebet des Heiligen Franziskus wurden dabei Gedichte dieses Jahrhunderts zugeordnet.

Das Gewandhausorchester unter Volkmar Olbrich spielt engagiert, der schwarzgewandete Chor wurde auf einer Brücke , fünf Gesangssolisten seitlich plaziert.Scholz ist sein eigener Ausstatter.Munchs "Schrei" muß gleich dreifach als Vorhang dienen.Zu Beginn sieht man seelenlosese Körperarchitektur.Den Frauen ist symbolische Last auferlegt.Sie werden malträtiert und vergewaltigt, spenden mütterlichen Trost.Beflügelt von ihren männlichen Partnern, demonstrieren sie die Erhebung über das irdische Jammertal.Die bleiche Schönheit Kiyoko Kimara, früher Solistin in Stuttgart, wirkt vollends entrückt.

Bilder von Kriegsschauplätzen führen die Allgegenwart von Gewalt und Leid vor Augen.In der Schlußszene steigt der Chor auf die Bühne herab, die zuvor leblos daliegenden Tänzer - plötzlich reanimiert - erheben sich.Zum Foto von der Montags-Demonstration schreitet das Kollektiv voran: eine Lektion in aufrechter Gesinnung.Und doch entwickelt die Verbindung von Musik und Tanz in "Pax questuosa" eine szenische Kraft, der man sich nicht entziehen kann.

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