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Kultur: Die nächste Party kommt bestimmt

Sie waren die Größten und gingen Bankrott: Die Beastie Boys sind wieder da

Vor sechs Jahren galten sie als eine Band, die es wieder allen gezeigt hatte. Die „New York Times“ attestierte ihnen „einen bewundernswerten Geschmack“. Der „Rolling Stone“ kürte sie zur Band des Jahres. Der britische „New Musical Express“ fand sie „cleverer, witziger, radikaler und spannender denn je“. Und das „Q“-Magazin sah in ihnen gar „ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Popbands sich entwickeln sollten“.

Die Beastie Boys überlegten es sich allerdings anders und entschwanden. Aus der schöpferischen Pause wurden Jahre, in denen die Zeit auch ein bisschen über sie hinweg ging. Eminem tauchte auf und ließ HipHop wie die natürliche Sprache weißer Mittelschichtskinder klingen. Die Strokes tauchten auf und befreiten die Härte des Rock’n’Roll vom Nimbus des Underdogs. Und die Twin Towers tauchten ab. Für die einstigen Päpste der postmodernen Leichtigkeit wurde es schwer, angesichts solcher Katastrophen die hohe Kunst des Albernen zu pflegen. Adam Yauch („MCA“), Mike Diamond („Mike D“) und Adam Horovitz („Adrock“) wenden sich mit „To the 5 Boroughs“, ihrem sechsten Album in 18 Jahren, einer Zeit zu, für die Eminem zu jung war und die Strokes zu reich gewesen wären: den späten Siebzigern – einer Rap-Epoche, die old school ist.

In die scheppernden, gehetzten Beats der 15 Songs sind Samples von Klassikern des Genres wie LL Cool Jay, Rappers Delight oder The Sugar Hill Gang eingearbeitet. Giftige Textattacken, politische Verdammungstiraden und alberne Wortspiele rufen zudem einen Gestus in Erinnerung, der sich aus dem New Yorker Gefühl speiste, gleichzeitig in der coolsten und abgefucktesten Stadt der Welt zu leben. Als U-Bahn-Züge unter Lebensgefahr in Graffiti-Kunstwerke verwandelt wurden, die Straßen verdreckt und nachts unsicher waren und Crack an jeder Ecke vertickt wurde. Once upon a time on this mic, heißt es in „Right Right Now Now“, hätten Rapper noch Ethos besessen und gemeint, was sie sagten. With the sound delight we rock all night. And yes we’re gonna party for the right to fight. Feiern für das Recht zu kämpfen: eine unverhohlene Anspielung auf den größten B-Boy- Hit, in dem es 1986 hieß: You gotta fight for your right to party.

Man muss es vielleicht wiederholen, weil HipHop heute so selbstverständlich Pop ist wie Britney Spears: Als die Beastie Boys Mitte der Achtziger, nachdem sie etliche Jahre als Hardcore-Punkband zugebracht hatten, ihr Debütalbum „Licensed To Ill“ veröffentlichten, war das die erste Rap-Platte überhaupt, die ein Nummer-eins-Hit wurde. Viele halten sie für das einflussreichste Werk ihrer Zeit. Die gebürtigen New Yorker aus relativ gut situierten jüdischen Mittelstandsfamilien hatten die Attitüden und das Vokabular von Rappern wie Run DMC übernommen und so aufpoliert, dass es sich gegen die spießigen Wohlstandsträume der Eltern richtete. Sie bedienten sich der kreischen Lärm-Gitarren von Led Zeppelin und AC/DC und bastelten mit Hilfe von Produzent Rick Rubin wutentbrannt-stampfende Disco-Knaller. Voller Sexismen und verbaler Angriffe auf Schwule, bildete das Album zugleich auch den traurigen Höhepunkt einer Arroganz, der sich die Beastie Boys heute schämen.

Längst sind die rüden Pennälerposen einem gekonnt-ironischen Spiel mit dem Bildreservoir des TV-Zeitalters gewichen. Schon das Sample-Monument „Paul’s Boutique“ (1989) offenbarte dieses Talent. Legendär das Video für „Sabotage“, in dem sie eine wilde Verfolgungsjagd im Stil billiger Crime & Cop-Serien inszenierten. Für „Ch-Check It Out“, die aktuelle Single-Auskopplung, greift das Trio erneut in die Verkleidungskiste. Der Bildersturm, der nur beiläufig etwas mit dem Text zu tun hat, wirbelt sie als Raumschiff-Enterprise-Crew, als Rentnerinnen und Widergänger ihrer selbst durcheinander. Wobei noch immer gilt: Das Hochdrucktemperament der drei Imagejongleure lässt aus jedem Wortwechsel schnell eine chaotische Prügelei werden.

Eigentlich haben sich solche Clownerien verbraucht. Die Familienväter gehen allesamt auf die Vierzig zu – man sieht es an den grau melierten Schläfen. Sich in diesem Stadium immer noch wie Rowdies zu benehmen, denen die Welt egal ist, kann ziemlich affig sein. Wenn „To the 5 Boroughs“, unter dem Eindruck des 11. September entstanden, heute erscheint, wird man es als sentimentale Hommage an die Fünf-Städte- Stadt New York hören müssen. „Open Letter To NYC“ beschwört denn auch den Geist der multiethnischen Metropole. Dear New York, I know a lot has changed. 2 towers down, but you’re still in the game.

Das ist rührend. Wie überhaupt ihr politisches Bekenntnis viel von der Einfalt eines Geläuterten hat. So beklagen sie Hass, Gewalt und Ignoranz der Bush-Regierung und fordern „eine militärische Umkehr“, um ihren Zorn schließlich in der Zeile ausklingen zu lassen: Got to spread out love before the world goes pop. Macht Liebe, nicht Pop? Niemand hat je behauptet, die Beastie Boys seien geniale Dichter.

Es ist noch nicht lange her, dass 10000 Dollar genügten, um das Plattenlabel der Band zu ersteigern. Grand Royal, das „angesagteste Label der Welt“ („The Guardian“) verkörperte lange den Anspruch auf kommerzielle Unabhängigkeit und war daran Bankrott gegangen. Wenn sich die agile Rap-Truppe nun auf die impulsiv-ruppigen Beats seiner Vorgänger besinnt, ist das auch der Versuch, an eine Ernsthaftigkeit heranzukommen, die sie selbst zertrümmert hat.

Beastie Boys, To the 5 Boroughs (EMI)

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