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Kultur: Die Nymphe und der Freak

René Jacobs gastiert mit Händel im Schillertheater

Vielleicht liegt es daran, dass irgendwann das Gefühl für die Herausforderung verschwindet, wenn man sich immer auf höchstmöglichem Niveau über dem musikalischen Alltag bewegt. Wenn man alle Werke aufgeführt hat, die man auf die Bühne bringen wollte und den Herzenskomponisten zu Aufmerksamkeit und Ehre verholfen hat. Wenn alle Widerstände gebrochen sind und noch einmal neu darüber nachgedacht werden müsste, was Relevanz jetzt bedeuten könnte. René Jacobs ist ein Gott in seinen Gefilden – und das kann einsam machen.

Bei seinem Konzert mit der Akademie für Alte Musik im Schillertheater bringt er ein italienisches Frühwerk Händels, die Serenata „Aci, Galatea e Polifemo“, mit der gewohnten Souveränität über die Rampe. Und doch hallt an diesem Abend nur wenig wieder. Für das Drama um die schöne Nymphe Galatea, deren grobschlächtiger Verehrer Polifemo ihr den Liebsten Aci erschlägt, der sie am Ende als Fluss ewig umspielen darf, findet Jacobs weder die nötige Portion Ironie noch die richtige Besetzung. Marcos Fink ist mehr empörter Onkel denn tödlich zürnender Versucher, die gewagten Sprünge, die Händel ihm in seinen Part geschrieben hat, kann er nicht als Abgründe deuten. Vivica Genaux mit ihren unwiderstehlich bebenden Lippen ist als Galatea sicher nicht nur bedrängte Unschuld, und auch Sunhae Ims hingebungsvollem Aci hätte Doppelbödigkeit gut getan. Das Ganze ist Spiel, nicht Drama, und schon gar keines, welches mit einem Händel-Melodram-Generalschlüssel zum Laufen kommt.

So ziehen sich die gut 90 Minuten, wo man sonst Vierstündern mit Genuss folgt. Und man denkt zum ersten Mal bei Jacobs daran, wie es wohl ein anderer Dirigent gemacht hätte. Ulrich Amling

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