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Kultur: Die österreichische Krankheit

Der österreichische Film ist erfolgreich. Aber er krankt.

Der österreichische Film ist erfolgreich. Aber er krankt. Am Kabarettismus. Was bedeutet, dass die Filmschauspieler von der Kabarettbühne statt von der Schauspielschule kommen. Dass die Filme mehr vom Wort als vom Bild geprägt sind. Und dass das Szenische über das Filmische, über die Bewegung, dominiert. Schuld an dieser Krankheit hat vor allem Josef Hader, zur Zeit so etwas wie das Gesicht des österreichischen Kinos. Allein im vergangenen Jahr spielte er in drei Filmen die Hauptrolle, zuletzt in Wolfgang Murnbergers "Komm süßer Tod". Schuld hat auch Roland Düringer. Die Kinoversion seines Stücks "Hinterholz 8" (1998) gilt als größter österreichischer Kassenschlager überhaupt. Bei der Kritik mag der Kabarettfilm verpönt sein - dem Publikum gefällt er.

"Der Überfall" von Florian Flicker erfüllt nun all die Kriterien des kabarettistischen Krankheitsbildes: Er spielt fast nur an einem Ort, ist mit skurrilen Figuren bevölkert und er vereint die beiden Volkshelden Hader und Düringer. Und doch ist "Der Überfall" nicht bloß ein lieblos abgefilmtes Kammerspiel. Sondern - tatsächlich - Kino: gekonnt inszeniert, atmosphärisch dicht und spannend. Berger (Düringer), arbeitslos und abgebrannt, wollte eigentlich einen Supermarkt überfallen. An der Kasse jedoch wird ihm die Sache zu mulmig und er flieht in eine Änderungsschneiderei direkt gegenüber. Mehr aus der Not heraus bedroht er den Schneider (Joachim Bißmeier vom Burgtheater) mit einer Pistole, ganze 800 Schilling sind seine magere Beute. Doch auf einmal wimmelt es draußen von Polizisten. Der Supermarkt wurde inzwischen tatsächlich überfallen. Und so sitzt Berger fest in dem heruntergekommenen Laden.

Im Hinterzimmer beginnt nun ein Nervenkrieg zwischen dem jungen, aufbrausenden Räuber, dem grantelnden, abgeklärten Schneider und dem Kunden Kopper (Hader), der gerade seine Hose ändern lassen wollte. Die drei beschimpfen sich, sie prügeln sich, sie spielen sich gegeneinander aus. Sie bluten, sie kotzen, sie machen sich in die Hose. Kopper, Hypochonder und daher Frührentner, ist die unsympathischste, aber die interessanteste Figur: Er intrigiert und ist larmoyant. Er biedert sich an, wenn es für ihn von Vorteil ist. Und er schaut gern zu, solange er keinen Schaden davonträgt. Kurz: Er ist der Österreicher schlechthin. Einen der drei Männer lässt der Regisseur am Ende seines dritten Films sterben. Man kann das als politische Botschaft verstehen. Denn die drei sind auch Vertreter verschiedener Zeiten: Der Schneider steht für das vergangene Österreich, Kopper für das gegenwärtige und Berger für die Zukunft.

Ach ja: "Der Überfall" ist eigentlich eine Komödie. Eine Tragikomödie. Worüber wir lachen, das sind die Versuche der Männer, ihre eigenen Unzulänglichkeiten hinter einer Fassade zu verbergen. Doch im Laufe des Films verrutscht ihre Maske. Dahinter wird sichtbar: eine trostlose Ödnis im Leben. Und das ist bitter. Gallenbitter.

Filmkunst 66, Kulturbrauerei, Passage

Nils Meyer

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