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Kultur: Die Organisatoren in der Hauptstadt machen einander Konkurrenz

Bisher hatte Berlin zwei Gedenkstätten, die der Erinnerung an die NS-Zeit dienten: die Gedenkstätte Deutscher Widerstand und das 1992 eröffnete Haus der Wannsee-Konferenz, dessen Dauerausstellung als bisher einzige in Deutschland ausschließlich die NS-Juden Verfolgung dokumentiert. Nun sollen drei Großprojekte hinzu kommen: die Gedenkstätte "Topografie des Terrors", die aus der gleichnamigen Ausstellung hervorgeht, die 1987 als Appendix zur großen Berlin-Ausstellung auf drei Monate eingerichtet wurde und sich seither erfolgreich behauptet, das Jüdische Museum und das Denkmal für die ermordeten Juden Europas.

Bisher hatte Berlin zwei Gedenkstätten, die der Erinnerung an die NS-Zeit dienten: die Gedenkstätte Deutscher Widerstand und das 1992 eröffnete Haus der Wannsee-Konferenz, dessen Dauerausstellung als bisher einzige in Deutschland ausschließlich die NS-Juden Verfolgung dokumentiert. Nun sollen drei Großprojekte hinzu kommen: die Gedenkstätte "Topografie des Terrors", die aus der gleichnamigen Ausstellung hervorgeht, die 1987 als Appendix zur großen Berlin-Ausstellung auf drei Monate eingerichtet wurde und sich seither erfolgreich behauptet, das Jüdische Museum und das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Das klingt eindrucksvoll und der neuen deutschen Hauptstadt gemäß, solange man nicht zu genau und aus der Nähe hinsieht.

Als Folge der Jahrzehnte langen Teilung hatte das wieder vereinte Berlin von den Akademien bis zu den Opernhäusern alles doppelt und dreifach. Die Akademien wurden vereinigt, die Opernhäuser existieren noch immer nebeneinander, spielen zum Teil sogar dasselbe Repertoire, sind an den gleichen Tagen geschlossen. In dem einzigen Fall, wo es keine Doppelung gab, wurde sie nachträglich geschaffen. 1998 hatte die damalige Regierung der DDR die "Stiftung Neue Synagoge - Centrum Judaicum" ins Leben gerufen, die sich seither mit ihren Ausstellungen hohe Reputation erwarb. Parallel dazu plante man in Westberlin ein Jüdisches Museum im Berlin-Museum. Gedacht war an ein integratives Modell, um eine Ghettoisierung zu vermeiden. Inzwischen ist daraus, wie man weiß, das Großprojekt eines eigenständigen Jüdischen Museums geworden, das nicht nur den gesamten Neubau des Berlin-Museums, sondern auch das benachbarte Kollegienhaus beansprucht.

Mit der Entscheidung für den Entwurf von Daniel Libeskind hatte die Stadt eine von ihr nie beabsichtigte autonome Lösung unausweichlich gemacht. Der originelle und kühne Bau verwies mit seiner unübersehbaren Symbolik bereits zwingend auf die spätere Umwidmung. Entstanden ist ein faszinierendes Gebäude, das bereits in leerem Zustand Besuchermassen anzieht. Gleichwohl darf man seine Eignung als Museum mit ständigen und wechselnden Ausstellungen bezweifeln. Denn seine Gliederung ist nicht nach Gesichtspunkten einer künftigen Nutzung von Innen entwickelt, sondern von Außen vorgegeben. Demnächst wird das Haus wieder geschlossen, weil für knapp 10 Millionen Mark Nachbesserungen vorgenommen werden, die nur zum Teil mit unerwartetem Publikumsandrang zu erklären sind.

Peinliche Mahnmal-Streitigkeiten

Das Museum ist das einzige der drei Einrichtungen, die durch großzügige Mittelzuweisungen und ein erfolgreiches fundraising finanziell abgepolstert ist. Die Zahl der Mitarbeiter ist inzwischen auf 78 angestiegen, aber ein wissenschaftlicher Direktor, der das anspruchsvolle Projekt leiten und alle Arbeiten koordinieren könnte, fehlt nach wie vor. Die Eröffnung der Ausstellung wurde verschoben. Bis vor kurzem gab es nicht einmal ein Konzept, das über eine Grobplanung der Themen und ihre Platzierung hinaus gegangen wäre.

Das Debakel ist bekannt: Nach einer zehnjährigen Diskussion und zwei Wettbewerben, wird das Holocaust-Mahnmal nun gebaut. Nachdem Land und Bund sich unter dem Druck einer einflussreichen Lobby eher aus Gründen der Opportunität als der Überzeugung auf das Projekt eingelassen haben, hat es auch der Bundestag abgesegnet. Nach einer Parlamentsdebatte, die eher einer politischen Pflichtübung glich als einer Auseinandersetzung über die noch offenen Sachfragen, hat man in allen Punkten die jeweils schlechteste Lösung gewählt. Man stimmte für ein zentrales Mahnmal, das ausschließlich dem Andenken an die ermordeten Juden Europas gewidmet sein soll, verbunden mit der beschwichtigenden Zusage, den hier nicht berücksichtigten anderen Opfergruppen ebenfalls zu ihrem Recht zu verhelfen. Die peinlichen Streitigkeiten, die folgen werden, sind absehbar.

Kein Geld mehr da? Glaube ich nicht

Auch die SPD, die bereits 1983 ein Mahnmal für alle NS -Opfer gefordert hatte, und selbst die PDS stimmten zu. Zu dem zusätzlich vorgesehenen Haus der Information hat sich das Parlament so vage geäußert, dass Kultur-Staatsminister Michael Naumann jetzt eine Chance sieht, seine Lieblingsidee eines Holocaust-Museums, in Teilen doch noch durchzusetzen. Schon plant man ein zweistöckiges Haus mit 800 bis 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Die Senatsbauverwaltung schätzt die Kosten auf 25 Millionen. Von den einst vorgesehen 15 Millionen für das Denkmal selbst und einer Kostenteilung zwischen Bund und Land hier, Initiative dort, ist längst keine Rede mehr. Allein der Wettbewerb und die Anhörungen haben vier Millionen gekostet.

Ausgerechnet jene der drei Institutionen, die bereits eine Bilanz von 13 Jahren erfolgreicher Arbeit und ein plausibles Konzept für deren Weiterentwicklung im neuen Haus vorweisen kann, muss nun um ihre Zukunft fürchten. Mehrkosten, die sie nicht zu verantworten hat und die in anderen Fällen klaglos übernommen werden, gefährden die Zukunft des Projekts.

Es ist wahr, die Topografie benötigt kein "Kunstwerk" mit Filigranstelen aus Weißbeton, sondern ein Gebäude, in dem sie ihre international anerkannte Arbeit fortsetzen kann. Dass Peter Zumthors Bau funktional nicht uneingeschränkt nutzbar sein wird, ist seit langem bekannt. Aber die Beamten der Stadt, die diesen Entwurf gegen alle Einwände durchgesetzt haben, weil sie nach Libeskind einen weiteren international bekannten Namen in Berlin binden wollten, müssen zu Ende führen, was sie begonnen haben. Sie haben versäumt, die Bedürfnisse der künftigen Nutzer zu vertreten, wie es ihre Aufgabe gewesen wäre. Sie haben die technische Durchführbarkeit der Pläne des Architekten, mit denen man Neuland betrat, erst durch Gutachten prüfen lassen, als der Bau im Gang war. Sie haben eine zu niedrige Kalkulation vorgelegt, obwohl ihnen der reale Preis von 70 Millionen schon damals von Fachleuten genannt wurde. Der Haushaltsausschuß hat nun eine Mittelsperre verhängt, die erst aufgehoben wird, wenn die Bauverwaltung ihre Schularbeiten gemacht, eine seriöse Kalkulation vorgelegt hat. An den Tatsachen ändert das nichts. Ein Zurück gibt es nicht. Weder kann man jetzt noch den Architekten wechseln, noch das Vorhaben abblasen. Beides käme die Stadt teuer zu stehen, nicht nur finanziell.

Die Liste der Bauten in Berlin, die am Ende um vieles teurer wurden als geplant, ist lang. Warum also die Aufregung in diesem Falle? Der Verdacht liegt nahe, dass die Topographie, die es beim Gedenken an die Opfer nicht bewenden lässt, sondern sich auf die Täter und das Terrorsystem der Nationalsozialisten konzentriert, unbequem ist, weil sie den gesellschaftlichen Konsens zu stören droht. Es sei kein Geld mehr da? Das glaube ich nicht, solange für andere Projekte praktisch unbeschränkte Mittel zur Verfügung stehen und Michael Naumann sein Haus der Information plant, als gäbe es die Ausstellungen im Haus der Wannsee-Konferenz und in der Topographie des Terrors nicht, als behandele das Jüdische Museum die Shoa nicht ebenfalls ausführlich. Übrigens wird die Ergänzung des Mahnmals gerade so viel kosten, wie der Topographie fehlt. In jedem Fall ist eine Einrichtung überflüssig, die ein weiteres Mal ein Thema abhandeln will, das in den beiden benachbarten Museen bereits dargestellt wird.

"Wäre Koordination nicht sinnvoll?"

Unter den gegebenen Umständen grenzt es an Aberwitz, aber er wird sich durchsetzen. Es wäre an der Zeit, dass Bund und Land sich mit den Direktoren und Initiatoren der verschiedenen Berliner Gedenkstätten und Museen zusammen setzen, um Doppelungen und Überschneidungen zu vermeiden. Einem ausländischen Museumsmann fiel das unvermittelte Nebeneinander in Berlin schon 1995 auf: "Wäre da eine gewisse Koordination nicht ganz sinnvoll?"Gerhard Schoenberner war Gründungsdirektor der Gedenkstätte "Haus der Wannsee-Konferenz" und ist Autor von Büchern, Ausstellungen und Filmen zur NS-Geschichte.

Gerhard Schoenberner

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