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Kultur: Die Parodie, verkannt als Pasquill

Drei Schlösser und ein Lügenbaron, so könnte etwas verkürzt die Inhaltsangabe zu Hans Christoph Buchs jüngster Arbeit lauten, die den Titel "In Kafkas Schloß.Eine Münchhausiade" (Verlag Volk & Welt) trägt.

Drei Schlösser und ein Lügenbaron, so könnte etwas verkürzt die Inhaltsangabe zu Hans Christoph Buchs jüngster Arbeit lauten, die den Titel "In Kafkas Schloß.Eine Münchhausiade" (Verlag Volk & Welt) trägt.Allerlei kommt da vor das Auge des Lesers: Das Schloß Liblice bei Prag, in dem 1963 die berühmte von Eduard Goldstücker initiierte Kafka-Konferenz tagte, das Schloß Dobris, wo sich 1990 zusammen mit Präsident Havel nochmals die Gruppe 47 versammelte, das Casanova-Domizil Schloß Dux sowie schließlich die Festungsanlagen von Konstantinopel, um die Baron Münchhausen sein Lügengarn spann.Am Dienstag hatte die literaturWERKstatt Hans Christoph Buch zur Präsentation dieser Erzählung eingeladen, und mit ihm den hochbetaten Germanistikprofessor Eduard Goldstücker, dessen Name mit der Kafka-Konferenz wie auch mit dem Prager Frühling aufs engste verknüpft ist.Was die Sache besonders spannend machte: In Buchs Buch kommt Goldstücker selbst als Figur vor, als unorthodoxer Marxist, der Kafka vor den Bannflüchen des Sozialistischen Realismus retten will und zu diesem Behufe mit den DDR-Bonzen streitet, die dem Autor des "Schlosses" alles andere als positiv gegenüberstehen.

Während Buch diese ironisch überzeichneten Dialoge las, in die sich auch ab und zu die Stimmen von Ernst Fischer, Roger Garaudy und des haitianischen Poeten René Depestre mischten, wurde klar, daß hier mitnichten die wirkliche Geschichte der Konferenz nacherzählt werden sollte, sondern statt dessen reichlich fabuliert, dekonstruiert und anhand einer Vielzahl ineinander verschränkter Episoden über das Erzählen selbst reflektiert wurde.Um so trauriger, was danach folgte.Mit steinernem Gesicht nannte Goldstücker das Buch, das eigentlich eine schöne, souveräne Hommage auf sein Lebenswerk ist, ein "Produkt, ein Pasquill", schließlich gar "Teil einer breit geführten Kampagne gegen den Prager Frühling, die meine Stellung untergraben soll".Das Publikum, anstatt Goldstücker auf diesen absurden Irrtum anzusprechen, klatschte Beifall.Goldstücker zu Buch: "Sie wollten sich wohl mit alldem einen Jux machen, was?" Spätestens an dieser Stelle hätte man wohl den achtbaren Antistalinisten Goldstücker vor sich selbst in Schutz nehmen müssen, war der Rückfall in eine nur zu bekannte Funktionärs-Rhetorik doch unüberhörbar.Es blieb jedoch dabei, einzig den sich wacker verteidigenden Hans Christoph Buch als bad guy der Veranstaltung mit Schmähungen zu bedenken.Eine Frage aus dem Off: "Glauben Sie wirklich, daß es schon an der Zeit ist, in burlesker Form über die Kafka-Konferenz zu schreiben?" Was ein heiteres Wechselspiel zwischen erinnerter Realität und fabulierter Fiktion hätte werden können, verröchelte als Tribunal.

MARKO MARTIN

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