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Charlie Brown und sein bester Freund, Snoopy.

© Twentieth Century Fox

"Die Peanuts - Der Film" in 3-D: Charlie Brown im Aufwind

Sogar das rothaarige Mädchen ist beeindruckt. Aber nur kurz. Pünktlich zu Weihnachten kommt „Die Peanuts - Der Film“ in 3-D in die Kinos.

Charlie Brown war, ist und bleibt ein Verlierer. So lautet das erste Schulz’sche Gesetz. Niemals wird Charlie Brown seinen Drachen in den Himmel aufsteigen lassen, immer wird er am drachenfressenden Baum scheitern. Auf ewig wird Lucy ihm den Football hinhalten, Charlie Brown wird Anlauf nehmen, Lucy im letzten Moment den Ball wegziehen und Charlie – „AAAH! – WUMP!“ – schmerzhaft auf seinem Hinterteil landen. Verlierergeschichten handeln davon, wie es ist, unsanft in der Realität aufzuschlagen. Solche Schmerzgeschichten sind spannender als Siegergeschichten, denn sie wecken genauso viel Empathie wie Schadenfreude.

Das wusste Charles M. Schulz, als er 1947 zum ersten Mal unter dem Titel „Li’l Folks“ einen Comicstrip über eine Bande kugelköpfiger Vorstadtkinder und einen Beagle namens Snoopy veröffentlichte, die als „Peanuts“ weltberühmt werden sollten. Zu ihrem Anführer machte er ausgerechnet den Glatzkopf Charlie Brown, der als überaus zergrübeltes Kind auch eine Alter-Ego-Figur seines Schöpfers Charles Schulz ist.

Erwachsene kommen nicht vor im Peanuts-Kosmos. Man sieht bloß manchmal ihre Schuhe und Hosenbeine, und wenn sie etwas sagen, erklingen gedämpfte Trompetenstöße. Undechiffrierbare Kommandos einer vorlauten Macht. Charlie Brown ist zwar ein notorischer Pechvogel, aber weil er schon alles Kindliche, vor allem die Unbeschwertheit, hinter sich gelassen hat, folgen die anderen Kinder seiner Autorität. Nutzen tut es wenig.

„Die Peanuts – Der Film“, von Steve Martino für die Blue Sky Studios und 20th Century Fox inszeniert, ist der erste Peanuts-Kinofilm seit über 30 Jahren und der erste seit dem Tod von Charles M. Schulz anno 2000. Sensationell ist nicht, dass er computeranimiert und in 3-D produziert wurde, die Peanuts also nicht mehr wie leicht unperfekt gestrichelte Comicwesen aussehen, sondern wie pralle Kunststofffiguren, gewissermaßen wie ihre eigenen Merchandise-Doppelgänger. Daran hat man sich nach anfänglicher Irritation schnell gewöhnt. Sensationell ist der Plot. Denn zum ersten Mal steigt Charlie Brown zum Sieger auf. Genauer gesagt: Es sieht so aus, als ob er ein Sieger wäre. Sein könnte. Vielleicht.

Charlie Brown – der einzige Held, der seine Erschöpfungsringe über statt unter den Augen trägt – holt beim sogenannten Standardtest die volle Punktzahl. Ein Rekord, der noch keinem Kind geglückt ist, fortan gilt Charlie als Genie. Beim Schulfest wird er gefeiert, Kamerateams belagern sein Haus, ein Junge verfolgt ihn im Schnee und verkündet: „Ich möchte in Ihre Fußstapfen treten.“ Allerdings, das wird sich später zeigen, hatte der Sieger/Verlierer beim Test versehentlich die falschen Blätter abgegeben. Endlich schenkt ihm das kleine rothaarige Mädchen, das vor Kurzem gleich gegenüber eingezogen ist, Aufmerksamkeit. Zusammen sollen sie übers Wochenende ein Buch besprechen. Mutig entscheidet sich Charlie Brown für Tolstois „Krieg und Frieden“, seine tausendwortige Zusammenfassung beginnt so: „Zuerst gab es Krieg, dann gab es Frieden. Jetzt nur noch 992 Wörter.“

Nach dem Aufstieg den Absturz abzuwenden, das ist Charlie Brown schon beim Drachenfliegen nie geglückt. Umso niederschmetternder wird für ihn die Rückkehr an die gewohnte Position: ganz unten. Vergeblich hatte er gehofft, das kleine rothaarige Mädchen beeindrucken zu können, das im Film zum ersten Mal kurz auch von vorne zu sehen ist, nicht mehr ganz uneinholbar entrückt also: „Sie wird mein neues Ich sehen, wir könnten die ersten Kinder auf dem Mond werden.“ Doch Lucy, die Charlie Brown in ihrer „Psychiatrischen Hilfe“ ambulant berät, diagnostiziert mangelnde Attraktivität: „Schau mal in den Spiegel, was siehst du? Das Gesicht eines Verlierers.“

Sehen so Verlierer aus? Höchstens kurz. Noch einmal Charlie mit Snoopy.
Sehen so Verlierer aus? Höchstens kurz. Noch einmal Charlie mit Snoopy.

© Twentieth Century Fox

Keine Figur, das ist die Tragik der „Peanuts“, entkommt ihrem Rollenschema. Linus hängt an seiner Schmusedecke fest. Schroeder, ein Halbstarker mit Haartolle, spielt den ganzen Tag Beethoven, um Lucys Anhimmeleien zu entkommen. Und Charlie Brown versagt.

„Die Peanuts – Der Film“ besteht aus lauter Standardsituationen. Charlie Browns Ritterkämpfe mit Bäumen und Bällen. Lucys medizinisch-psychologische Ambulanz. Snoopys Fliegergefechte mit dem Roten Baron. Anfangs, als Schroeders Klavierintro erklingt, der Schnee leise rieselt und die Kamera von Schauplatz zu Schauplatz gleitet, entwickelt die Handlung ungeahnte Dynamik, um bald in das gemächliche Tempo zu fallen, das zu Vince Guaraldis Trio-Jazz passt. Nur sanft wurde der Mythos modernisiert. Im Scheitern liegt eine Chance, so lautet die Botschaft der liebevollen Hommage. Wer hinfällt, muss wieder aufstehen. „Ich möchte einen Drachen fliegen lassen. Können Sie mir helfen?“, wird Charlie Brown von einem kleinen Jungen gefragt. Seine Antwort: „Ich habe viele Jahre Erfahrung mit Drachen gesammelt“.

Ab Donnerstag in 23 Berliner Kinos. OV: Cinestar Sony-Center, Rollberg

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