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Kultur: Die Praktikanten sterben aus

René Polleschs neues Stück „Tod eines Praktikanten“ im Prater (wieder am 2. und 3.

René Polleschs neues Stück „Tod eines Praktikanten“ im Prater (wieder am 2. und 3.2., 20 Uhr) ist nicht sein bestes. Trotzdem allemal besser als viele andere dramatische Hauptstadtversuche. Mit der Pollesch eigenen Repräsentationstheaterskepsis wird darüber nachgedacht, wie wohl die Kollegen benachbarter Theater so „das Elend der anderen kreativ bearbeiten“. Tatsächlich lässt sich die Berliner (Off-)Theaterlandschaft mit dieser Elendsbearbeitung nicht lumpen. In Lars Noréns Personenkreis 3.1 im bat-Studiotheater (20., 21. und 25.1., 20 Uhr) sind die anderen zum Beispiel Junkies, Penner, Nutten, Langzeitarbeitslose, Alkoholiker und psychisch Kranke. Das Theater, in dem sich – in der Regel vor einem von Junkies, Nutten und Pennern nicht gerade überfrequentierten Publikum – Regie- und Schauspielstudenten der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ schon mal für die Karriere erproben dürfen, geht mit der Situation offensiv um und stellt auf seiner Homepage Peter Kleinerts Inszenierung unter das Motto „Mittelklassekinder spielen Unterschicht“. Ein wenig überraschender Nebeneffekt dieser Aufführung ist die Erkenntnis: Seit Thomas Ostermeier vor sieben Jahren mit „Personenkreis 3.1“ seine Schaubühnen-Intendanz eröffnete, hat sich am Elendsfaktor der Noréns’schen Klientel wenig geändert.

Eine Tatsache, die umso stärker auf das Personal aus Heiner Müllers Philoktet zutrifft, mit dem sich gewissermaßen als nachträgliche Verneigung zum Geburtstag des Dramatikers am 9. Januar der Ernst-Busch-Absolvent Sebastian Klink im Theaterdiscounter (heute und morgen, 20 Uhr) auseinander setzt. Dass der Regisseur Müllers Politdrama nach der antiken Philoktet-Tragödie als schwarze Komödie im Boxring inszeniert und den Kampf der Ideologien in einen Kampf der Ressourcen übersetzt, dürfte am traurigen Befund wenig ändern.

Bei so flächendeckender dramatischer Elendsabbildung stellt sich die Frage wenn nicht nach Alternativen, so doch nach dem Stand soziologischer Forschung. Helgard Haug und Daniel Wetzel von der Gruppe Rimini Protokoll greifen deshalb im HAU 2 (24. bis 28.1., 20 Uhr) zu Karl Marx’ Das Kapital, Erster Band . Ihre bewährten „Alltagsexperten“, unter anderem der Wirtschaftstheoretiker und Statistiker Thomas Kuczynski sowie Ulf Mailänder, Co- Autor bei den Memoiren der berühmten Pleitiers Jürgen Schneider und Jürgen Harksen, klopfen den Gebrauchswert der Marx’schen Theorie ab. Gegenüber im HAU 3 (heute und morgen 20 Uhr) geht Thomas Schweigen noch einen historischen Schritt weiter zurück. In seiner Produktion Gang Bang – Eine Betriebsanleitung für erfolgreiches Arbeiten im Kollektiv lässt er sich auf die Visionen des frühen utopischen Sozialisten Charles Fourier ein. Der plante im 18. Jahrhundert den Bau einer Modellsiedlung mit revolutionären Arbeits- und Lebensentwürfen – mit viel Sex.

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