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Kultur: Die Pumps der Prada-Mieze

Arm dran sind sie alle Petra aus Chemnitz, Maren aus Hamm Lilly aus Zehlendorf. Jedes Mädel, das in Lutz Hübners "Creeps" seinen Traum von der Moderatorinnen-Karriere träumt, hat sein Bündel aufgeladen bekommen.

Arm dran sind sie alle Petra aus Chemnitz, Maren aus Hamm Lilly aus Zehlendorf. Jedes Mädel, das in Lutz Hübners "Creeps" seinen Traum von der Moderatorinnen-Karriere träumt, hat sein Bündel aufgeladen bekommen. Ravermaus Petra drückt der 60-Jahresplan ihres Restlebens in der Platte von "KM-Stadt", Prada-Mieze Lilly leidet unter Abhängigkeit vom reichen Papa, Öko-Schnecke Maren ist in der Schule eine Versagerin. Drei bombensichere Charaktere fürs Jugendtheater. In der klaustrophobischen Situation eines Studios werden die Mädchen zum Moderatorinnen-Casting aufeinander losgelassen, werden Schicksalsbündelchen geschnürt, bis sich nach 80 Minuten mit der Selbsterkenntnis die Schlussmoral einstellt, dass Fernsehen eine "Grande Verarsche" ist - was wir uns zwar schon gedacht hatten, worüber sich aber in Schulklassen prima diskutieren lässt. Wer Jugendtheater jenseits politisch-moralischer Korrektheit sucht, geht wohl besser zu "Kroetzkes" in die Neuköllner Oper als ins Grips-Theater.

"Creeps" ist bereits Hübners drittes Stück am Grips. Doch die erfolgreiche Partnerschaft will diesmal nicht funktionieren. Vor einem Jahr führte das Schauspiel Hannover bei der Berliner Jugendtheaterbiennale vor, dass "Creeps" trotz plakativer Charaktere und schlichter Handlung witzig, bewegend sein kann. Doch in Jürgen Zielinskis Regie fehlt es am Gespür für die MTV-Generation und an überzeugender Besetzung. Nur Manja Doerings quengelige Öko-Göre im Kelly-Look wirkt glaubwürdig. Ariane Fischer nimmt man ihre Zonen-Petra so wenig ab wie Bettina Ratschew das Mädchen aus gutem Haus. Und warum hat niemand die Kostümbildnerin Cora Steinbock daran gehindert, die beiden Mädchen in offenbar wahllos kombinierte Humana-Klamotten zu werfen! Eine Busfahrt nach Zehlendorf hätte schon gereicht, um festzustellen, dass die 16-jährigen dort nicht in abgeranzten Roy-Lichtenstein-T-Shirts und Jogginghosen mit schwarzen Pumps herumlaufen. Vermutlich hätte aber schon ein bisschen MTV-Gucken gereicht.

Jörg Königsdorf

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