zum Hauptinhalt

Kultur: Die Rückkehr der Emigranten war nach dem Krieg unerwünscht

Freche Äußerungen waren eher die Ausnahme, die Befragten konnten ja nicht wissen, was ihnen blühte, wenn ihre Antworten zu derb ausfielen. Schließlich hatte man den Besatzern Rede und Antwort zu stehen.

Freche Äußerungen waren eher die Ausnahme, die Befragten konnten ja nicht wissen, was ihnen blühte, wenn ihre Antworten zu derb ausfielen. Schließlich hatte man den Besatzern Rede und Antwort zu stehen. Doch die Ablehnung war verbreitet.

"Denken Sie, dass es für diese Emigranten wünschenswert ist, zurückzukehren und an einer Wiedererziehung und Wiedergutmachung in Deutschland teilzunehmen?", fragten die amerikanischen Militärbehörden im Sommer 1947 ausgewählte Intellektuelle in Bayern. Und in München, Würzburg, Augsburg, Nürnberg und Regensburg wurde häufig nicht lange um den heißen Brei geredet: Abgründe "zwischen dem jetzigen Deutschland und den Auswanderern" täten sich auf, eine "tiefe Kluft" zu jenen, die an den Sonnenküsten im Ausland lebten und gar nicht nachvollziehen könnten, was die Dagebliebenen in der Trümmerwelt zu Hause erlitten hatten. Nur wenige sprachen sich unvoreingenommen oder gar rundweg positiv für eine Rückkehr der Vertriebenen aus.

Das Thema ist hinreichend bearbeitet worden in der Vergangenheit. Doch erstmals ist nun diese amerikanische Umfrage veröffentlicht. Vertreter der Inneren Emigration geben Auskunft, aber auch Verfolgte des Nazi-Regimes, Bürgermeister nun, Stadträte, Richter, Schriftsteller und Journalisten.

Der einleitende Aufsatz von Jost Hermand gibt einen guten Überblick und sagt auch schon viel über den Inhalt des Buches aus. Auf fünfzig Seiten wird dem Leser, die historische Situation im Nachkriegsdeutschland näher gebracht. Die amerikanische Deutschlandpolitik der 40er Jahre wird skizziert, die Ergebnisse jener Umfrage vom Sommer 1947 vorgestellt und ein Einblick gegeben in die vorangegangene hitzige öffentliche Debatte unter Schriftstellern vom Herbst 1945. Als Große Kontroverse ist sie in die Literaturgeschichte eingegangen.

Thomas Mann hatte seine Meinungsführerschaft als Vertreter der Exilanten unterstrichen und aus dem fernen Kalifornien die Mitläufer, Duckmäuser und Sympathisanten unter dem Nazi-Regime gegeißelt. Mann sprach alle Deutschen schuldig für das, was zwischen 1933 und 1945 unter Hitler geschehen konnte, und forderte im Oktober 1945 dazu auf, sämtliche Bücher, die in der Nazizeit in Deutschland gedruckt worden waren, einzustampfen. An ihnen hafte ein "Geruch von Blut und Schande". Die Reaktionen der Angesprochenen waren giftig, die Kontroverse endete unversöhnlich.

Im vorliegenden Buch ist nun noch einmal auf 150 Seiten diese Tendenz abzulesen: Die Exilanten seien im Ausland besser aufgehoben, heißt es, sie hätten dort ihr Auskommen, könnten Deutschland von dort aus besser "dienen", sollten keine Privilegien in der Heimat beanspruchen, und sich nicht als Schulmeister aufspielen, schließlich gäbe es "im Land genug Idealisten und gescheite Köpfe", meinte ein Ehrenvorsitzender der SPD im bayrischen Weiden.

Deutschnationale Stimmen finden sich, selbstgerechte, verständnislose, gönnerhafte, unwissende. Allerdings auch besonnene Äußerungen, kritische, einsichtige. Ein Journalist aus dem Würzburger Raum meinte, dass jeder, der draußen war, über Erfahrungen verfüge, die im Lande fehlen. Ein Literaturprofessor ergänzte, "durch ihre Rückkehr (würden) jene Ideen wieder zur Geltung kommen, die nach 1933 in Deutschland gewaltsam ausgemerzt wurden".

Erich Kästner hielt es für "unbedingt erforderlich, alles für die Rückkehr der Dichter, Professoren und Verleger zu tun", denn die Notwendigkeit liege auf der Hand: "Wir haben zu wenig Dichter hier." Auch der Journalist Walther Kiaulehn hielt es für " wünschenswert, dass die deutschen Dichter zurückkehren", er unterstellte Thomas Mann freilich, vor 1933 "an der Unterhöhlung der bürgerlichen Intelligenz mitgearbeitet" zu haben, ja "mitschuldig geworden (zu sein) an der geistigen Vorbereitung des deutschen Volkes für den Nationalsozialismus".

Es ist ein buntes Gemisch von Gedanken, Meinungen und Vorurteilen, ein Stimmungsbild, gewiss, und eine kleine Ergänzung zur vorliegenden Literatur. Das Fachpublikum wird diese Quellen-Dokumentation begrüßen. Das breite Publikum aber ist mit anderen Veröffentlichungen zum Thema besser bedient.Jost Hermand, Wigand Lange (Hrsg.): "Wollt ihr Thomas Mann wiederhaben?" Deutschland und die Emigranten. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1999. 216 Seiten. 38 DM.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false