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Margit Bendokat vor dem Deutschen Theater

© Doris Spiekermann-Klaas

Die Schauspielerin Margit Bendokat: Doch käuflich sind sie alle

Seit 50 Jahren steht Margit Bendokat auf der Theaterbühne. An ihrem Stammhaus, dem Deutschen Theater, spielt sie nun Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“. Ein Gespräch vor der Premiere.

Na wartet, euch werd ich's zeigen! Das hat Margit Bendokat als Kind manchmal gedacht, wenn die anderen in der Klasse über ihren Wunsch lachten, Schauspielerin zu werden. Sollte den Spöttern noch leidtun. „Ich habe die in den Wald mitgenommen und ihnen vorgespielt“, erzählt sie. Szenen aus „Quo Vadis“ oder anderen Filmen, die sie im Westen gesehen hatte, mit dem Onkel. „Danach waren sie still.“ Bendokat sitzt in der Sonne vor dem Deutschen Theater und lächelt in sich hinein, während sie die Anekdote erzählt. Und schiebt verschmitzt nach, dass sie heute keinerlei Rachegelüste dieser Art mehr empfinde. „Bin ja auch alt genug, nicht wahr?“ Margit Bendokat muss weiß Gott niemandem mehr etwas beweisen. Im vergangenen Jahr hat sie ihren 70. Geburtstag gefeiert, was man ihr weder ansieht noch anmerkt. Seit einem halben Jahrhundert steht sie am Deutschen Theater auf der Bühne, hat acht Intendanten kommen und gehen sehen, mit Regisseuren wie Heiner Müller, Einar Schleef, Jürgen Gosch und Dimiter Gotschteff gearbeitet und unzählige große Rollen verkörpert. In Bendokat vereinen sich gelebte Theatergeschichte und vitale Theaterlust.

Jetzt spielt sie die Claire Zachanassian aus Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“. Die denkt auch: Euch werd ich's zeigen! Als junge Frau musste sie ihr Heimatdorf Güllen in Schande verlassen, weil sie ein uneheliches Kind von Alfred Ill erwartete, der die Vaterschaft leugnete. Jetzt kehrt sie als gealterte Milliardärin zurück. Und setzt ein Kopfgeld auf den Schuft Alfred aus, wodurch ganz Güllen korrumpiert wird. Kill Ill! „Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell“, zitiert Bendokat ihre Figur. „Bei Dürrenmatt steckt ja viel schwarzer Humor drin, dafür hab ich was übrig“, sagt sie. „Und trotzdem wird es grausig.“ Ein grunddüsteres Menschenbild kann man dieser Moritat vom gekauften Mord tatsächlich nicht absprechen. Was Bendokat aber entgegenkommt. „Ist ja auch finster, wie die Menschen sind“, schüttelt sie den Kopf. Die Kriege, die Selbstsucht, die Gier. „Wie die Zachanassian sagt: Mit Geld kann man alles kaufen.“ Den Rachewunsch der alten Dame kann Bendokat nachfühlen – die Erbarmungslosigkeit ihres Plans allerdings nicht. „So wär ich nicht“, sagt sie nur und blinzelt aus wachen Augen in die Sonne. Sie spielt die Claire übrigens nicht allein. Regisseur Bastian Kraft, Jahrgang 1980, verteilt den Part auf insgesamt fünf Schauspieler. „Kann ich mir vorstellen, dass es funktioniert“, sagt Bendokat. Und betont, ohne eine Spur herablassend zu klingen: „Man muss sich ja auf die Jungen einlassen.“ Die traurige Kehrseite ist natürlich: Die meisten der Großen, mit denen die gebürtige Templinerin gearbeitet hat, sind bis auf Castorf mittlerweile gestorben. Marquard, Müller, Schleef, Gosch, zuletzt Gotscheff, ihr erklärter Lieblingsregisseur. Auf Mitko kommt sie im Gespräch immer wieder zurück. Beschreibt die Proben mit ihm, wie er „gegrübelt und gegrübelt hat, manchmal schwer auszuhalten, aber man wusste immer, er kommt dann auf den Punkt“.

Den eigenen, wahrlich nicht geringen Anteil an der Leuchtkraft von Inszenierungen wie Gotscheffs furiosen „Persern“ unterschlägt Bendokat, bescheiden, wie sie ist. Dabei hat man vor allem ihren staunenswert gedankenklaren Ein-Frau-Chor im Ohr und vor Augen, wenn man an diese Theater-Sternstunde denkt. Verwunderlich nur, dass ihr erst 2010 mit dem „Berliner Theaterpreis“ die erste große Auszeichnung zuteil wurde. „Dass überhaupt eine kam, hat mich enorm gefreut“, wiegelt Bendokat ab. Wo man als Schauspielerin doch mit jeder Arbeit wieder am Anfange stehe und denke: „Du kannst ja gar nichts.“ Umso schöner seien „die lichten Momente“. Wie jetzt im Falle der „Alten Dame“, wenn ihr plötzlich die zündende Idee zur Figur käme und sie wisse: „Mensch, so werd' ich's machen.“

Premiere 17.4., 19.30 Uhr, weitere Aufführungen: 18. und 21.4., 19.30 Uhr; 29.4., 20 Uhr

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