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Kultur: Die Schlüssel zum Paradies

Über 300 000 Besucher hat die Sammlung Berggruen in den vergangenen zwei Jahren seit ihrer Präsentation im Charlottenburger Stülerbau angezogen: ein wahrer Publikumsmagnet, der, an Schätzen so reich, weitere Lockungen kaum nötig hat.Seit gestern jedoch ist, einem Sahnehäubchen gleich, im obersten Geschoß des klassizistischen Schatzkästleins eine weitere Attraktion hinzugekommen.

Über 300 000 Besucher hat die Sammlung Berggruen in den vergangenen zwei Jahren seit ihrer Präsentation im Charlottenburger Stülerbau angezogen: ein wahrer Publikumsmagnet, der, an Schätzen so reich, weitere Lockungen kaum nötig hat.Seit gestern jedoch ist, einem Sahnehäubchen gleich, im obersten Geschoß des klassizistischen Schatzkästleins eine weitere Attraktion hinzugekommen.In den Sälen der dritten Etage sind 36 Bilder Paul Klees zu sehen, die Heinz Berggruen Anfang der achtziger Jahre neben 54 weiteren Werken dem New Yorker Metropolitan Museum geschenkt hatte.Bis Ende Oktober weilen sie gastweise in Berlin, dann kehren sie zurück."Klee aus New York", so auch der Titel der exquisiten, kleinen Ausstellung.Die Berliner Klees aus dem Stülerbau haben in der Zwischenzeit ein Unterkommen im Kupferstichkabinett am Kulturforum gefunden, wo sie auf Nachfrage einzeln gezeigt werden.

Die Fokussierung auf die Werke von Paul Klee verdeutlicht zugleich die Bedeutung, die dieser Maler stets für den Sammler gehabt hatte, der mit dem Kauf eines ersten Aquarells 1940 in Chicago einen Grundstein für seine Kollektion legte.138 weitere Bilder erwarb er in den folgenden Jahren, vornehmlich in den Fünfzigern und Sechzigern, als Berggruen ihm in seiner Pariser Galerie zahlreiche Ausstellungen widmete.Mag sich mit seiner Sammlung heute vor allem der Name Pablo Picasso verbinden, Paul Klee steht ebenbürtig neben ihm, wenn nicht sogar dem Herzen des Sammlers näher, der mit dem Klee-Titel "Hauptweg und Nebenwege" auch seine Autobiographie überschrieb.

Die Hängung im Stülerbau besorgte deshalb Berggruen selbst - nicht nach Motiven oder chronologisch geordnet, sondern gemäß ihrer Wirkung.Den zeitlichen Rahmen bilden die Bauhausjahre 1919 bis 1932, in denen Klee seine höchste Produktivität entfaltete.Hier findet sich noch die Unbekümmertheit eines fast kindlichen Blattes wie "Wo die Eier herkommen und der gute Braten" von 1921, das er für sein Patenkind Florina-Irene malte ("alle diese Bilder hat der Onkel Klee gemacht", schrieb er liebevoll darunter).In den folgenden Jahren entstehen aber auch jene von Düsternis durchzogenen Bilder, die kommende Bedrohungen erahnen lassen.Nichts Gutes läßt die graue Pforte im "Geisterzimmer mit der hohen Türe" (1925) vermuten, auf die zentralperspektivisch Linien und rätselhafte Figurationen gerichtet sind.Das Blatt sollte 1937 zu jenen 17 Werken gehören, die von Paul Klee in der Ausstellung "Entartete Kunst" in München gezeigt wurden.

Ganz unverhofft beginnt jedoch wieder ein Berliner Klee-Bild den aus Übersee angereisten Verwandten die Schau zu stehlen.Denn vor kurzem erwarb Berggruen aus dem Nachlaß des amerikanischen Verlegers James Laughlin ein weiteres Werk für den Stülerbau, das nun ebenfalls erstmals präsentiert wird: "Karge Worte des Sparsamen" von 1924, das beispielhaft ist für den sublimen Witz vieler seiner Bilder.Im Bildnis dieses knopfäugigen Mannes, der mit seiner runden Stirn an den eher ungesprächigen Künstler selbst zu erinnern scheint, taucht der Titel erneut auf, doch hat der Maler die Vokale "eingespart" und den Sparsamen einfach mit "Sp." gekürzelt.

Mit "Klee aus New York" und der Neuerwerbung offeriert sich die ganze Vielfalt seines Werks - die Federzeichnungen, die kleinformatigen Aquarellen und größeren Ölgemälde.Viele Bilder mögen dem Betrachter wie alte Bekannte erscheinen, denn der Künstler arbeitete häufig in Serien, wiederholte seine Techniken, erprobte immer wieder die einmal gefundene Lösung.So taucht auch mehrfach das Prinzip der Farbabstufungen auf: von tief- zu hellrot bei den geometrisch geformten "Hängenden Früchten" (1921) oder die Aquarelltüpfel beim "Athleten-Kopf" (1932), den der Künstler aus 4000 kleinen Quadraten erstehen ließ.Bedrohlich blickt er aus seinem Raster auf den Betrachter.Klee übersetzte hier die damalige Vision des Neuen Menschen in seine Sprache.Wie ein Kinderspiel erscheint dagegen noch die kriegerische Aktion im "Gelben Hafen" (1921), für die der Maler einen winzigen Raddampfer, Kanonen und ein Männchen mit Flagge auf einem großen Tisch plazierte.Aus dem Nebenraum grüßen die hageren Gestalten Alberto Giacomettis herüber, die sich ebenfalls auf einem Tisch zusammengefunden haben.Wo Giacometti die Verlorenheit des Menschen zeigt, spricht aus Klees Bildern noch der Glaube an die Gegenwelten in der Kunst.Berggruen selbst hat sie einmal die Schlüssel zum Paradies genannt: "Les Klee du Paradis".

Sammlung Berggruen, Schloßstr.1, bis 18.Oktober.Katalog (Nicolai Verlag) 38 DM, im Buchhandel 68 DM.

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