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Kultur: "Die Schule der Welt": Donnernde Damen

König Friedrich II. von Preußen ist gerade zwei Jahre im Amt und hat seine ersten Feldzüge hinter sich, als er ein Lustspiel schreibt.

König Friedrich II. von Preußen ist gerade zwei Jahre im Amt und hat seine ersten Feldzüge hinter sich, als er ein Lustspiel schreibt. Er will seinem klugen, welterfahrenen Freund Dietrich Freiherr von Keyserlingk ein besonderes Hochzeitsgeschenk machen. Es ist eine Phase zwischen den blutigen Kriegen, mit denen sich Preußen in den Rang einer Großmacht erhebt. Wenn Friedrich sein Lustspiel großsprecherisch "Die Schule der Welt" nennt, ist es dann noch Ironie? Jedenfalls ist in seinem Stück der größte militante Konflikt ein verhauenes Duell mit Degen und Spazierstock. Allein ein Dienerpaar behält im Durcheinander von Tugend und Verkommmenheit, gelehrter Angeberei und gezierter Dummheit den Kopf oben und stiftet endlich die "richtige" Hochzeit - mit Gescheitheit, Witz und ein bisschen Lug und Trug.

Der Herrscher, seit 1733 mit der ungeliebten Prinzesssin Elisabeth Christine verheiratet, hat seine Erfahrungen - und scheut die Konvention nicht. Er kennt die zeitgenössische dramatische Literatur, er gibt vom Gelesenen artig zurück. Barbara Abend fand das vergessene Stücklein und brachte es jetzt im Berliner "theater im palais" vermutlich zur ersten öffentlichen Aufführung überhaupt. Allerdings in einer Bearbeitung, die den königlichen Text arg zaust. Vier Komödianten, die sich eine Musikerin zu Hilfe holen, haben die Textbücher in der Hand, proben ihren Text und stellen sich dabei die finstere Frage, ob man den närrischen Text überhaupt spielen kann. So wird diskutiert und kommentiert, so fetzen sich Männer und Weiber, Ältere und Jüngere im Kampf um Rollen und Arrangements. Keiner gönnt dem anderen dessen Wirkung, und doch rauft sich das Quartett mit der Dame am Klavier prächtig zusammen.

Theater im Theater also, und das mit hohem Tempo, mit blitzschnellen Umbrüchen vom Probieren ins Spielen, von einer Figur in die andere, vom hohen Ton in niedere Alltäglichkeit. Friedrichs Texte werden gedreht und gewendet, dass nicht nur den Akteuren, sondern auch den Zuschauern ganz wirblig wird, denn die Vier spielen acht Rollen, sind mal Vater, mal Sohn, mal große Dame, mal Dienerin, mal Schöngeist, mal Lumpenhund.

Den Raum schuf Christine Perthen, und sie gestaltet im kleinen Theater mit den aus zart pastellenen Stoffbahnen gebildeten schlanken Säulen tatsächlich einen "Festsaal". Die Damen Marion van de Kamp, Hella Stövesand und die Herren Jens-Uwe Bogadtke, Carl Martin Spengler spielen wie um ihr Leben, denn das Stück, die Rollen müssen zugleich erobert und in Grund und Boden gedonnert werden. Man dreht sich, und ist ein anderer. Man sieht nur zu, schmollt, und wirft sich wieder in die komödiantische Schlacht. Man genießt und höhnt.

Manchmal ist des Tänzelns und Scharwenzelns eine Wenigkeit zu viel. Jeder nur mögliche Spaß mit Masken (Claudia Rönsch, Uwe Pahl) und mit pfiffigen Kostümdetails kommt groß und zugleich unverschämt ironisch auf die Bühne. Alles läuft mit der Präzision eines Uhrwerks - und mit überbordender Phantasie.

Allein, wie Marion van de Kamp eine "erste Schauspielerin" tödlich ernst und hinreißend heiter nimmt, ist ein Spaß für sich. Und Ute Falkenau am Klavier gibt hintersinnige Kommentare mit Akkorden, gliedert das rasante Spiel - diese "Schule der Welt" ist ein Volltreffer.

Nach solcher Tollerei geht es mit dem zweiten Preußen-Abend "Prügelstock und Flöte" sozusagen historisch sittsam zu. Barbara Abend (die für Buch und Regie verantwortlich zeichnet) ist erneut auf Spurensuche gegangen und entwirft mit Briefen, Berichten, Zeitzeugnissen aller Art ein gescheit gedeutetes Lebensbild des großen Preußenkönigs. Gabriele Streichhahn, Jens-Uwe Bogadtke und Carl-Martin Spengler lesen die Texte, reagieren auf sie, machen sie sich vorsichtig zu eigen - oder bleiben auf Distanz. Das gewinnt Spannung - und am Ende stellt sich eine unvermutet persönliche Beziehung zu Friedrich II. von Preußen her. Herzlicher Beifall auch für diesen Abend im Bühnenbild von Christine Perthen mit Bildern zum Leben des "Alten Fritz" und mit der Musik von Ute Falkenau.

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