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Kultur: Die sieben Zwerge, das war ich

Ein Leben für die Kunst des anderen: Gail Zappa über ihre Ehe mit dem Musiker, Komponisten und Workaholic Frank Zappa

Sie sitzt allein an einem schwarz-lackierten Konferenztisch. Die beiden Söhne Dweezil und Ahmet sind hinausgegangen, da wir mit Gail Zappa über ihr Leben an der Seite ihres 1993 verstorbenen Gatten Frank Zappa reden wollen. Über ihre Ehe sagte er: „Der Grund, warum sie so lange hält, liegt darin, dass wir praktisch nie miteinander reden.“ Interviews gibt die 61-jährige Nachlassverwalterin selten. Auch dieses Gespräch über ihre Rolle scheitert. Denn Gail Zappa ist eine Philosophin.

Frank Zappa wurde Anfang der Siebziger zur Pop-Ikone mit einem Bild, das ihn mit heruntergelassenen Hosen auf dem Klo sitzend zeigt. Mussten Sie ihm zuweilen das Toilettenpapier nachtragen.

Bitte?

Ist so was nie passiert?

Sie reden von einem Bild, das sich einer sehr aufdringlichen Situation verdankt. Frank hatte sich in einem Hotel eingemietet, um Interviews zu geben. Da riss ein Fotograf die Tür zum Bad auf, in das Frank sich zurückgezogen hatte, und machte das Foto. Der einzige Wert, den es hat, besteht für seine Fans darin, dass es eine Gegenkultur repräsentiert. Die jungen Leute hängen es in ihr Zimmer, um ihre Eltern zu schocken. Frank auf der Kloschüssel, das mag eine dadaistische Komponente haben. Doch jemanden in einem so intimen Moment zum Bestandteil seines eigenen Lebens zu machen, heißt auch, ihm sehr nahe zu kommen.

War Frank Zappa der Rebell, der sich um bürgerliche Konventionen nicht scherte?

Die Musik sagt alles über ihn. Ich glaube nicht, dass ein Foto das aufwiegen kann.

Zappas Stücke gehören zum Schwierigsten, was in der Rockmusik je geschrieben wurde. Dafür brauchte er ein Umfeld, das ihn schützte …

Es nennt sich „Solitude“. So wie bei Batman die „Festung der Einsamkeit“, in die er sich zurückzieht.

Und welche Aufgabe hatten Sie?

Den Kontakt zur Außenwelt aufrechterhalten. Und dafür sorgen, dass der Arbeitsprozess nicht unterbrochen wurde.

Betrachteten Sie das als einen Job?

Rückwirkend würde ich sagen, dass es ein Job war. Auf Fragebögen habe ich oft als meinen Beruf „professionelle Ehefrau“ angegeben. Einerseits tat ich viel für die Person, mit der ich verheiratet war und die ich als meinen besten Freund betrachtete. Andererseits erlebte ich, wie viel Energie und Kraft ihn das Musikmachen kostete. Ich tat alles dafür, es ihm leichter zu machen. Ich wollte nicht, dass Frank unglücklich wurde, weil er nicht arbeiten konnte.

Das klingt wie die Hölle.

Schlimmer als die Hölle jedenfalls, in der ein Künstler schmort.

Zappa holte sich Anerkennung für seine Anstrengungen beim Publikum. War das fair?

Nun, Künstler sind so gemacht, dass sie sich einer Aufgabe verschreiben. So sehr sie sich als Figuren auch in jedem Moment von neuem erfinden, so sehr entzieht sich ihrem Willen doch, was sie in sich tragen. Dagegen kann man nichts ausrichten.

Sie lebten mit einem Rockstar zusammen …

Ich habe keinen Rockstar geheiratet, sondern einen Komponisten. Also jemanden, der alles, was er anging, für sich tat.

In einem frühen Interview bekannte Frank Zappa, er sei nie alleine. Er lebe in einem Haus mit sechs Zwergen, die auf ihn aufpassten. War das nur ein Scherz?

Diese sechs Zwerge, das war ich.

Und er war Schneewittchen?

Ich kann nicht verleugnen, dass er auch feminine Züge hatte, aber das ginge zu weit.

Sie lernten sich Mitte der Sechziger in Los Angeles kennen. Die Mothers of Invention traten damals öfter in einem Musikclub auf, für dessen Besitzer Sie als Sekretärin arbeiteten. War das eine gute Schule?

Ich war davor bei der amerikanischen Botschaft in London beschäftigt. Und danach folgten noch ein paar andere Jobs, deretwegen ich weiß, wie man telefoniert. Ich habe Frank in späteren Jahren, als ich seine Geschäfte übernahm, nie gemanagt, lediglich das Business verwaltet. Mir war klar, dass ich das, was die Typen erledigten, die wir als Agenten bezahlten, besser hinkriegen würde.

Ist es wahr, dass er nur wenige Freunde hatte und fast niemanden an sich heranließ, wie Wegbegleiter berichten?

Es ist interessant, dass Frank in seinem autobiografischen Buch niemanden als Inspirationsquelle erwähnte, dem er ein Gehalt bezahlte. Denn er beschäftigte Leute nicht, damit sie seine Freunde wurden.

Wann begriffen Sie, dass Ihr Mann todkrank war und Sie ihn verlieren könnten?

Ich ahnte es lange vor der Krebsdiagnose. Als er seine Autobiografie abschloss, sagte mir etwas, dass er kein zweites Buch schreiben würde.

Wirklich?

Ja, ich hätte es ihm selbst nie sagen können. Aber es war wie eine Offenbarung.

Das Gespräch führte Kai Müller.

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