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Kultur: „Die Skandale haben mich überrascht“

Andreas Homoki, Chefregisseur und künftiger Intendant der Komischen Oper Berlin, verteidigt selbstbewusst seine erste Saison

Herr Homoki, der Senat hat Ihrem IntendantenVertrag für 2004 einen Tag vor der Rettung der Berliner Opernhäuser durch den Bund zugestimmt. Wussten Sie zu diesem Zeitpunkt schon von Ihrem Glück?

Nein, aber die Komische Oper spielte in diesem Fall ja ohnehin eine Nebenrolle. Wären die Bundesgelder nicht geflossen, hätte das eine Fusion von Deutscher Oper und Staatsoper bedeutet. Die Stiftung für die Berliner Opern wäre aber in jedem Fall gekommen. So herum ist es natürlich viel besser.

Was bedeutet die Opernstiftung mit ihrem „flachen Dach“ konkret für Ihre Arbeit?

Ich sehe die Umstrukturierung in Richtung GmbH vor allem als Chance. Jeder unternehmerisch denkende Betrieb stützt sich auf zwei Säulen: Produktion und Vertrieb. Im Moment können wir als „nicht rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts“ kaum unternehmerisch agieren. So geben wir im Moment nur einen lächerlich geringen Teil unseres Budgets für Marketing und Außendarstellung aus. Dies ist völlig unzeitgemäß – vor allem in der besonderen Berliner Konkurrenzsituation. Es ist mir in den vergangenen Jahren immer klarer geworden, dass es nicht reicht, lediglich die künstlerische Arbeit zu machen, sondern dass wir unsere Inhalte auch professionell kommunizieren müssen. Unter dem Stiftungsdach wird dies eine viel größere Bedeutung bekommen.

Die Komische Oper war da schon mal ein Stück weiter. 2002 gab es einen Wagen auf dem Christopher-Street-Day. Ein aufgeschlossenes Publikum sollte damit angesprochen werden. Solche Aktionen gab es in Ihrer ersten Spielzeit als Chefregisseur kaum ...

Es liegt ja auf der Hand, dass dem Intendantenwechsel im Herbst 2004 ein inhaltlicher Dissens zwischen dem jetzigen Intendanten Albert Kost und mir als künstlerischem Leiter zu Grunde liegt. Dieser Dissens hat seine Ursache zum großen Teil in unserer unterschiedlichen Einschätzung des Problems der Außendarstellung. Ein künstlerischer Kurswechsel muss kraftvoll und vor allem einheitlich kommuniziert werden. Dies gilt insbesondere im Umfeld kontroverser Neuproduktionen. Leider hat sich Herr Kost aufgrund seiner persönlichen Enttäuschung in der letzten Spielzeit mehr und mehr von unserem ursprünglich gemeinsamen Kurs distanziert. Trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung war die Absage von drei Vorstellungen des neuen „Peter Grimes“ im Juni, die durch „Zauberflöte“ und „Traviata“ ersetzt wurden – peinlicherweise mit sehr schwacher Auslastung. Ich hätte mir gewünscht, dass wir in der verbleibenden gemeinsamen Zeit zu einem solidarischeren Verhältnis hätten finden können.

Eine gemeinsame Saison liegt noch vor Ihnen.

Ich kann nur hoffen, dass die Situation durch meine Vertragsunterschrift eine neue Dynamik bekommt.

Wie sieht denn Ihr Kurs für die Zukunft aus?

Die Zukunft der Komischen Oper kann nur in einer größeren überregionalen beziehungsweise internationalen Ausstrahlung bestehen. Ein „Stadttheater Berlin–Mitte“ würde nicht zu einer Metropole passen. Als Opernhaus, das sich mehr als andere zum Ensemblegedanken bekennt und weitgehend auf teure Gaststars verzichtet, müssen wir dies vor allem durch die Auswahl von Regiehandschriften erreichen. Die teilweise sehr kontroverse Aufnahme der Neuinszenierungen unserer ersten Spielzeit zeigt, dass wir hier Neuland betreten. Dies entspricht der Tradition des Hauses, und nur so können wir unsere Unverwechselbarkeit unter Beweis stellen. Darüber hinaus bin ich wahnsinnig stolz, dass wir mit Kirill Petrenko einen Senkrechtstarter der internationalen Dirigenten-Szene ans Haus binden und mit ihm unser Solistenensemble um über 20 Mitglieder aufstocken konnten!

Aber mit den Besucherzahlen sieht es nach wie vor mau aus – knapp über 50 Prozent Auslastung heißt doch, dass der Neuanfang noch nicht beim Publikum angekommen ist.

Die letzten Monate brachten einen deutlichen Umkehrtrend, vor allem durch die nahezu ausverkaufte Serie des „Don Giovanni“ sowie unsere jüngste Neuproduktion „Le grand macabre“. Die letzte Vorstellung musste wegen des großen Andrangs 20 Minuten später beginnen. Und das bei einem zeitgenössischen Stück!

Ist der verpatzte Saisonstart nicht auch darauf zurückzuführen, dass Sie mit Ihrer „Verkauften Braut“ das Stammpublikum aus dem Osten Berlins vor den Kopf gestoßen haben?

Der Premierenskandal hat mich in der Tat überrascht. Ich hatte eine leichte Typen-Komödie mit aktuellem Hintergrund geplant. Es gab eine Szene, in der sich drei typische Wessis darüber totlachen, dass die Ossis nicht wissen, wie eine Bierdose aufgeht. Ich denke, es wurden verschiedene Empfindlichkeiten getroffen. So werden wir Wessis (ich bin ja auch einer) die unangenehme Wahrheit zur Kenntnis nehmen müssen, dass unser vor allem ökonomisch ach so freiheitliches System bei der „Übernahme“ der DDR doch auch vulgär-banale Folgen hervorgerufen hat. Dies haben wir gezeigt.

Merken Sie in der Komischen Oper immer noch den so genannten Geruch der DDR?

Ja, deswegen bin ich hergekommen. Es ist hier nicht anders als in Dresden oder Leipzig: Weil das Theater zu DDR-Zeiten eine gesellschaftliche Nische war, in der es Freiheiten gab, ist es hier immer noch heilig. Der Bekenntnisanspruch ist größer als im Westen, vor allem das Bewusstsein, mit Theater etwas Essentielles auszusagen. Eben diesen Geist will ich hier erhalten – nur nicht als „ostalgische“ Wärmestube, sondern mit hochkarätigen Regisseuren, die aber alle das Grundprinzip der Sängerdarsteller als Mittelpunkt einer Aufführung mittragen. Gustav Mahler hat einmal gesagt: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“

An das Ballett der Komischen Oper wollen Sie diese Fackel aber offenbar nicht weiterreichen. Die Truppe steht vor der Abwicklung, obwohl Sie vor zwei Monaten noch beteuert haben, der Tanz würde bei Ihnen Platz finden.

Das Stiftungsmodell beinhaltet die Ausgliederung der Ballettcompagnien und ihre Zusammenfassung zu einer GmbH. Das soll dem Ballett eine größere Eigenständigkeit gegenüber dem eigentlich ballettfeindlichen Opernalltag geben. Die Kompagnie der Staatsoper – in der Vergangenheit von Daniel Barenboim konsequent geschützt – ist heute die personalstärkste, während das ehemals stattlich ausgestattete Tanztheater der Komischen Oper bereits Jahre vor meinem Antritt radikal verkleinert wurde. Es ist klar, dass das Ballett der Staatsoper als größte Kompagnie der Stadt die neue Ballett GmbH dominieren wird. Die Gefahr einer Monokultur im Sinne einer „Schwanensee AG“ ist offensichtlich. Mein Vorstoß war der Versuch, Einfluss im Sinne einer Stärkung des zeitgenössischen Tanzes innerhalb der Ballett- GmbH zu nehmen. Denn um die Ausgliederung an sich kommen wir nicht herum.

Ist die Zusammenarbeit von Opern- und Tanzensembles nicht auch eine Chance für modernes Musiktheater? Choreografen wie Joachim Schlömer und Heinz Spoerli versuchen das ja.

Spartenübergreifende Experimente haben sicher oft eine fruchtbare Wirkung. Die Philosophie der Komischen Oper bestand jedoch immer in der Fokussierung auf den singenden Menschen, also im Grunde in der Gegenposition zum spartenübergreifenden Denken. Das versuche ich weiterzuentwickeln.

Das Ballett wurde auch gehalten, weil es billig ist und auch bei schlechter Auslastung Kasse macht. Das Geld fehlt Ihnen jetzt, und Sie müssen mit den anderen Häusern auch noch zehn Millionen Euro Einsparvorgabe umsetzen.

Durch den Aufbau unseres Solisten-Ensembles produzieren wir auch im Opernbereich kostengünstiger als bisher. Was die zehn Millionen betrifft, nur soviel: Das Strukturpapier des Senators bestätigt eine seit Jahren bestehende gravierende Unterfinanzierung der Komischen Oper – und kündigt an, hier Ausgleich schaffen zu wollen. Davon gehe ich aus. Der Sinn der ganzen Reform besteht ja darin, finanziell endlich zu stabileren Verhältnissen zu kommen.

Das Gespräch führte Jörg Königsdorf.

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