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Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Oktober 2015 im Teheran Museum of Contemporary Art, an seiner Seite der stellvertretende Kulturminister des Iran, Ali Moradkhani.

© picture alliance / dpa

Die Teheran-Sammlung in Berlin: Platzt die Ausstellung am Ende doch?

Noch immer fehlen die Genehmigungen für die Ausfuhr der Kunst von Pollock, Warhol und Co. Ohnehin wird die geplante Ausstellung in der Berliner Gemäldegalerie immer mehr zur Gratwanderung der Diplomatie.

Eigentlich war die Eröffnung der großen Teheran-Ausstellung in der Berliner Gemäldegalerie für nächste Woche geplant. Ein Coup, denn die im Westen bislang noch nie gezeigte legendäre Sammlung von Farah Diba hätten auch andere Städte gerne als erstes gezeigt. Was als Bravourstück auf höchster diplomatischer Ebene, als beglückende Zusammenarbeit zweier Hauptstadtmuseen in West und Ost geplant war (mit weiteren Stationen unter anderem in Rom), könnte nun mit einem Knock-out enden.

Dass sich der Termin für die Präsentation der 60 amerikanischen und europäischen Werke sowie von Arbeiten der iranischen Moderne verschieben würde, dass Pollock, Warhol, Moore, aber auch Kandinsky und Gauguin ihre Reise nach Europa vorerst doch nicht antreten können, drang vor zwei Wochen an die Öffentlichkeit. Damals hieß es, bitte Geduld, es fehlen nur noch die Ausfuhrgenehmigungen. Die Verhältnisse im Iran seien eben komplizierter, vor allem, wenn sich die dortige Regierung gerade umbildet und ein neuer Kultusminister für die entsprechenden Papiere verantwortlich ist. Im Dezember, noch vor Weihnachten aber wird es schon werden.

Wie sich jetzt zeigt, ist wohl das ganze Projekt gefährdet. Die Unterschriften fehlen weiterhin. Kurator Joachim Jäger, Leiter der Neuen Nationalgalerie, und Andreas Görgen, Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt, reisen im Dezember nochmals in den Iran, um auf die Einhaltung der zwischen den Museen geschlossenen Verträge zu drängen. Zugleich werden Fragen laut, die das Unternehmen in neuem Licht erscheinen lassen. Und: Wie weit darf sich die Kultur für Außen- und Wirtschaftspolitik einspannen lassen? Inwieweit darf sich die Kultur umgekehrt der politischen Kanäle bedienen, zumal in einem Land, in dem Mullahs herrschen und es mit der Freiheit der Kunst nicht weit her ist?

Im Sommer hatte der Direktor des Teheraner Museums antisemitische Karikaturen ausgezeichnet

Die aktuelle Ausgabe der „Zeit“ zitiert Künstler, die von katastrophalen Zuständen in den Depots berichten. Darüber hinaus kommt ein ungenannt bleibender Kurator zu Wort, der davor warnt, dass sich Fälschungen in der Sammlung befinden könnten, jedenfalls seien Originale in einem Auktionshaus aufgetaucht. Auch gab es zunächst Zweifel an der tadellosen Provenienz einiger Werke der klassischen Moderne. Der Raubkunstverdacht konnte laut Stiftung Preußischer Kulturbesitz jedoch ausgeräumt werden.

Bereits im Sommer wäre es wegen des Projekts beinahe zum Eklat gekommen. Zum Entsetzen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte ihr Ansprechpartner Majid Mollanoroozi, der Direktor des Teheran Museum of Contemporary Art, die die Sammlung beherbergt, in einem Comic-Wettbewerb antisemitische Holocaust-Karikaturen ausgezeichnet.

Steht dem Ausstellungs-Projekt skeptisch gegenüber: Kulturstaatsministerin Monika Grütters.
Steht dem Ausstellungs-Projekt skeptisch gegenüber: Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

© Thilo Rückeis

„Dies geschah nach der Unterzeichnung der Verträge“, heißt es nun aus dem Auswärtigen Amt zu dem Vorwurf, man habe sich nicht genügend über sein Gegenüber informiert. Das Leugnen des Holocaust sei inakzeptabel. „Eine Zusammenarbeit mit Personen, die so denken und handeln, kommt nicht infrage“, so Steinmeiers Mitarbeiter. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte schriftlich gewarnt, hier könne Schaden für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz entstehen, und sich im Sommer von dem Projekt zurückgezogen. Grütters, die auch Mitglied im Stiftungsrat der SPK ist, überwies die ihrer Behörde vom Bundestag überlassenen 2,8 Millionen Euro für Transport und Versicherung dem Auswärtigen Amt, als „Zeichen“ der Distanzierung, wie sie der „Zeit“ sagte. Steinmeiers Behörde und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz weisen diese Sichtweise jedoch zurück. Die Überweisung sei eine „Verwaltungsvereinfachung“, man pflege eine kollegiale Zusammenarbeit. Dem Vernehmen nach hatte man sich auch gemeinsam darum bemüht, das Projekt ohne Museumschef Mollanoroozi weiterzutreiben. Was schließlich gelang, neuer Partner für das Projekt ist der stellvertretende iranische Kulturminister Ali Moradchani.

Während das Auswärtige Amt die Ausstellung weiter realisieren möchte, um damit nicht zuletzt auch die von der Regierung Rohani propagierte Öffnung Richtung Westen zu unterstützen, geht Monika Grütters weiter auf Abstand. Zwischen ihrer und Steinmeiers Behörde dürfte es derzeit nicht zum Besten stehen - bei aller erklärten Kollegialität.

Nun ist der stellvertretende Kulturminister Partner der Deutschen. Also alles gut?

Die Vorstellung, dass der umstrittene Teheraner Direktor in Deutschland womöglich die Eröffnungsrede halten würde, hätte nicht nur den Protest der Jüdischen Gemeinde hervorgerufen. Ein solcher Auftritt hätte den Geist einer neuen kulturellen Verständigung zwischen beiden Ländern konterkariert. Die Idee des Auswärtigen Amtes, über den Kunsttransfer nach Berlin auch im Lande, wo die westliche Moderne in den Depots verschwunden bleibt, für eine Öffnung zu sorgen, wäre damit ad absurdum geführt. Mollanoroozi ist weiter Chef der Sammlung, die Berlin so gern zeigen möchte: Ein wenig von dieser Vorgeschichte haftet dem ehrgeizigen Unternehmen nach wie vor an.

In solchen Kooperationen gibt es immer Risiken, sagt Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Oktober 2015 im Teheran Museum of Contemporary Art, an seiner Seite der stellvertretende Kulturminister des Iran, Ali Moradkhani.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Oktober 2015 im Teheran Museum of Contemporary Art, an seiner Seite der stellvertretende Kulturminister des Iran, Ali Moradkhani.

© picture alliance / dpa

Nun kommt aber auch der neue Partner der Berliner, Ali Moradchani, nicht voran bei den Ausfuhrgenehmigungen. Gut möglich, dass der Kulturaustausch zwischen Deutschland und Iran bei den konservativen Mullahs zwischenzeitlich auf Kritik gestoßen ist, dass das Projekt der Reformer dort ausgebremst wird.

„Wir werden das nicht drei-, vier-, fünfmal verschieben. Irgendwo gibt es da eine Grenze“, sagt jetzt Stiftungspräsident Hermann Parzinger. Platzt die Ausstellung komplett? Für das Teheran Museum of Contemporary Art wäre damit zugleich die Chance für einen internationalen Auftritt vertan. Die Sammlung würde in der Versenkung bleiben, nur dann und wann würden einzelne Leihgaben, ein Rothko, Bacon oder Max Ernst in westlichen Ausstellungen auftauchen. Die Geschichte der bis vor kurzem unbekannten Kollektion, die ungewöhnliche Gründung des Museums durch die Ehefrau des Schahs, der Aufbruch Irans in die Moderne würde kaum noch interessieren.

Grütters distanzierte sich, Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Auswärtiges Amt hoffen weiter

Und was ist mit dem geplanten Beiprogramm des Goethe-Instituts? Generalsekretär Johannes Ebert sagte dem Tagesspiegel, dass man daran festhalten möchte. Der Vorwurf einer politischen Instrumentalisierung von Kunst greife hier nicht. Man hofft vielmehr auf die Chance, iranische und deutsche Kulturschaffende in Kontakt miteinander zu bringen. Vorgesehen sind unter anderem eine Diskussion mit den Philosophen Hossein Mesbahian und Meysam Sefidkhosh im Dezember, ein Panel mit dem Maler Fereydoun Ave als zentraler Figur der Teheraner Kunstszene und mit Anahita Ghabaian, der Leiterin der „Silk Road Art Gallery“ in der Akademie der Künste, Auftritte von Techno-Musikern im Rahmen des CTM-Festivals im Januar sowie ein Abend mit dem Schriftsteller Mahmud Doulatabadi im Februar in der Schaubühne, dessen Bücher auf dem Index stehen.

Zur Zeit zeigt das Teheran Museum of Contemporary Art eine Ausstellung mit moderner Kunst aus arabischen Ländern. Titel: "The Sea Suspended".
Zur Zeit zeigt das Teheran Museum of Contemporary Art eine Ausstellung mit moderner Kunst aus arabischen Ländern. Titel: "The Sea Suspended".

© dpa

„Die Präsentation der zeitgenössischen iranischen Szene und der kulturelle Austausch liegen uns am Herzen“, sagte Ebert. Voraussetzung für die Beteiligung des Goethe-Instituts sei auch bei ihnen gewesen, dass Majid Mollanoroozi nicht mehr der Ansprechpartner für die Ausstellung sei. „Unsere Arbeit in nichtdemokratischen Ländern ist immer wieder eine Gratwanderung.“ Auch in diesem Fall habe man das Für und Wider sehr genau geprüft und die Einschätzung der eigenen Mitarbeiter vor Ort wie auch von Exiliranern in die Überlegungen mit einbezogen. Die Chance auf Kulturdialog bestehe trotz der jetzigen Kritik.

Das Goethe-Institut hält an seinem Beiprogramm fest: Kulturdialog birgt immer Risiken

„In der Kooperation mit Ländern wie dem Iran gibt es häufig Risiken, da kann auch mal etwas schiefgehen“, erläutert Ebert. Für eine Mittler-Institution wie Goethe sei es unerlässlich, dieses Risiko immer wieder einzugehen, mit der nötigen Sensibilität. Goethe unterhält kein eigenes Institut im Iran, arbeitet unter dem Dach der Deutschen Botschaft jedoch mit einem deutschen Referenten und zwei Ortskräften, ist gut vernetzt, mit Sprachkursen präsent und veranstaltet Programme, in Zusammenarbeit mit staatlichen und nichtstaatlichen Stellen.

Das Goethe-Institut sieht seine Aufgabe nicht zuletzt darin, der iranischen Kulturszene im Spannungsfeld zwischen Hardlinern und Reformern Freiräume zu ermöglichen. So versteht sich auch das Ausstellungsprojekt der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Noch schöner wäre es, die Moderne im Iran selber zeigen zu können. Ein Zukunftswunsch.

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