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Kultur: "Die Tochter wird sie überleben"

Ihre Bilder werden Comics genannt, obwohl sie wohl eher ein Zwischending aus Graphik und Illustrationen sind."Ich benutze den Begriff Comic, um mich mit meinen Arbeiten besser in der Kunstszene einordnen zu können", sagt Anke Feuchtenberger.

Ihre Bilder werden Comics genannt, obwohl sie wohl eher ein Zwischending aus Graphik und Illustrationen sind."Ich benutze den Begriff Comic, um mich mit meinen Arbeiten besser in der Kunstszene einordnen zu können", sagt Anke Feuchtenberger.Die heute 35jährige hat es nicht immer leicht mit ihren Werken.Die einen bezeichnen sie als pornographisch oder sehen in ihnen typisch weibliche Arbeiten.Andere schreiben ihr aus allen Teilen der Welt, daß sie durch ihre Bilder neue Erkenntnisse gewonnen hätten, ihnen sozusagen ein Licht aufgegangen sei."Mit meiner Arbeit habe ich bis heute noch nicht meinen Platz gefunden und hänge irgendwie zwischen den Stühlen", sagt Feuchtenberger.

Aufgewachsen in Berlin Friedrichshain findet sie durch ihre Eltern relativ schnellen Zugang zur Kunst.Der Vater arbeitet als Graphiker und die Mutter unterrichtet als Kunstlehrerin.Nach ihrem Abitur besucht Feuchtenberger die Kunsthochschule in Berlin-Weißensee.Ein Jahr nach Abschluß ihres Studiums 1989 gründet sie mit drei anderen Zeichnern die "PGH Glühende Zukunft".

Das Quartett Detlef Beck, Holger Fickelschere, Henning Wagenbreth und Anke Feuchtenberger begleitet die Demonstrationen in der Wendezeit mit eigens gestalteten Flugblättern und zur ersten gesamtdeutschen Wahl bietet Feuchtenberger dem unabhängigem Frauenverband ein Wahlplakat an."Frauen sind mutig, stark und schön" stand auf dem Poster, das bald schon in vielen Teilen Berlins zu sehen war.Geld gab es damals nicht dafür, doch durch die Präsenz der geklebten Wahlwerbung wurde Feuchtenberger das erste Mal so etwas wie ein bißchen berühmt.

Fünf Jahre leuchtete die "PGH Glühende Zukunft", organisierte Ausstellungen in der hauseigenen Galerie im Berliner Prenzlauer Berg, zeichnete so lange bis sich das Quartett von der Zeit überholt fühlte.1995 löste sich die Gruppe auf."Jeder hatte mittlerweile seinen Platz gefunden, sich weiterentwickelt.Es war nicht mehr notwendig, die Arbeiten der PGH gemeinsam zu präsentieren", sagt Anke Feuchtenberger.

Feuchtenberger arbeitete, wie die anderen, allein weiter, entwarf Plakate und illustrierte für Zeitungen und Zeitschriften.1996 folgte sie einem Lehrauftrag an die Hamburger Fachhochschule für Gestaltung."Ich hatte immer Glück, daß zur richtigen Zeit irgend etwas kam.Ich habe mich nie groß kümmern müssen", sagt sie.Nach zwei Jahren Pendeln entschließt sie sich für einen endgültigen Ortswechsel und verläßt ihre Berliner Heimat.

Ob ihr Hamburg mehr als die Hauptstadt zusage? Anke Feuchtenberger zögert mit der Antwort.Sie überlegt und ordnet im Kopf die neue Heimat."Hamburg ist eine sehr lebendige Stadt und an der Universität sind Leute aus allen Teilen Deutschlands", sagt sie.Nur die Freunde aus Berlin, die vermisse sie.Die Hamburger seien so zurückhaltend und auch die Zeichnerszene in Berlin sei vielfältiger, genauso wie die Verlagswelt.

Bei Berliner Comic-Verlag "Jochen Enterprises" erscheinen seit 1995 ihre Bücher, zuletzt 1998 "Somnambule Feuchtenbergerowa".Ihr erstes mit dem Titel "Mutterkuchen" zählt bis heute zu dem begehrtesten und bestverkauften ihrer Arbeiten.Es zeigt die Anfänge von Feuchtenbergers Arbeiten - die Frau als starkes Wesen, weil sie die Kraft hat, Kinder zu gebären.Sie kann aber auch zerstörerisch sein, wenn es Töchter sind, die sie gebiert.

In "Mutterkuchen" wird der Tochter durch die Mutter der Spaß am Leben genommen.Auf jeweils zwei Bildern pro Seite werden die Sehnsüchte der Tochter und die Bekämpfung dieser durch die Mutter dargestellt."Leidet ihre Tochter an Hinfälligkeit, beweinen sie sie ruhig.Sie werden sie überleben." So und ähnlich fallen die mit Texten versehenen Illustrationen aus, die beim weiteren Hingucken Schauer auslösen, die direkt unter die Haut oder ins Knochenmark fahren - eine zerstückelte Tochter oder eine andere, die vom Vater geschändet zurückbleibt.

Feuchtenbergers Comics bewegen den Leser manchmal dazu, lieber weg- als hinzugucken.Optisch fallen ihre Figuren aus dem Markt der ästhetischen Wohlfühlszene heraus.Mit ihrer teilweise fast kantigen Aufmachung wirken die Figuren wie Wesen von anderen Planeten.Und genau in diese Richtung entwickelt sich Feuchtenbergers Comic-Kunst nach "Mutterkuchen" auch weiter.Sie selbst will weg von den stilisierten Mutter- und Tochtergeschichten der Anfänge hinein in neue, überirdische Welten."Ich will mich in Zukunft mehr dem Phantastischen nähern, eine Bildwelt schaffen, die der Traumwelt ähnelt und dadurch jemand anderem etwas erzählen - ich will über Träume kommunizieren", sagt die Zeichnerin über ihre jüngeren Arbeiten.

Schöpfte sie zu Beginn ihre Themen noch aus Alltagssituationen, bedient sie sich heute aus einem Konglomerat aus eigenem Erleben und träumerischen Visionen.Am liebsten würde sie, die selbst einen zehnjährigen Sohn hat, Kinderbücher illustrieren.Diese sollten so sein, daß sich dreijährige Kinder genauso angesprochen fühlen wie Erwachsene.

Ihre neuen Arbeiten mit dem Titel "Der Palast", die sie neben älteren zur Zeit in der Berliner Inselgalerie vorstellt, sind ein erster Schritt in diese Richtung.Auf mehreren Zeichnungen präsentiert Feuchtenberger eine Bildabfolge mit eigenen Texten, die gerade durch ihren abstraken Charakter zueinander finden.

Anke Feuchtenbergers Arbeiten sind noch bis zum 3.April in der Inselgalerie (Inselstraße 13, Berlin Mitte) zu sehen.Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 13.30 Uhr bis 18.30 Uhr, Sonnabends von 12 bis 16 Uhr.

FRANK ROTHE

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