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Kultur: Die unendliche Weite der Wirklichkeit

Walter Niedermayr fotografiert Berge – wilde Gletscher mit blau schimmerndem Eis, Schneemassen, zerklüftetem Fels, Geröll. Dabei bricht der 1952 in Bozen geborene Fotograf mit kühlem Blick und einer tiefen- und farbreduzierenden Überbelichtung mit jeder Alpenromantik.

Walter Niedermayr fotografiert Berge – wilde Gletscher mit blau schimmerndem Eis, Schneemassen, zerklüftetem Fels, Geröll. Dabei bricht der 1952 in Bozen geborene Fotograf mit kühlem Blick und einer tiefen- und farbreduzierenden Überbelichtung mit jeder Alpenromantik. Das vielschichtige Panorama, die scheinbar unendliche Weite wird bei ihm zur homogenen Fläche. Ohne Raum für Illusionen zu lassen verfolgt Niedermayr die zivilisatorischen Spuren der Menschen. Mal sind es Skifahrer, die gegenüber der formatsprengenden Urgewalt der Berge wandernden Ameisenkolonien gleichen, mal sind es Bergstationen oder Sessellifte, die zu scheinbar haltlosen Elementen einer surrealen Miniatureisenbahn werden. Selbst den Müll, den Expeditionsgruppen hinterlassen, rückt Niedermayr ins Bild. Serien wie „Die bleichen Berge“ berühren thematisch durchaus unseren Umgang mit Landschaften, gehen aber viel weiter. In ihrer kühlen Beiläufigkeit stellen sie Fragen nach Räumen und Bildräumen, die jeder Betrachter auf seine Weise liest. Bildrealität und Raumrealität haben nur entfernt miteinander zu tun, sagt der Künstler. Seltsam schwebend und eingefroren erscheinen die gleißend hellen Szenen, die meist zu Tableaus aus mehrteiligen Einzelsequenzen zusammengesetzt werden, wie bei unserer zweiteiligen Abbildung „White Sands I“ (Foto: Galerie Nordenhake). Niedermayr schafft eine Ästhetik des Stillstands. Dazu passt, dass andere Serien des Südtirolers Verkehrssysteme dokumentieren oder in Operationssälen und Gefängnissen entstehen. Auch hier ermöglichen die sehr grafisch organisierten Bilder durch die Abweichung in der Farbe und die aufgehobene Tiefenwirkung einen fremden Blick auf Vertrautes oder in verborgene Welten.

Aber Niedermayrs international gefeierte Fotografien, die von heute an in der Berliner Galerie Nordenhake zu sehen sind (Zimmerstraße 88-91, bis 27. September; Preise zwischen 11 000 und 20 000 Euro) vermögen noch mehr: Schaut man sie länger an, gibt es immer diesen Moment des Umkippens. Die winzigen Menschen werden zu Farbspritzern, das Fotopapier zur Leinwand, Niedermayrs Bilder – pure Malerei .

Katrin Wittneven

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