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Kultur: Die Vaterlosen

Neun Autorinnen auf Tournee: Das Gesicht der jungen koreanischen Literatur ist weiblich

„Als Schriftstellerin habe ich den Reis mit meinem Mann geteilt“, sagt Oh Jung-Hee mit verhaltenem Stolz, senkt den Blick – und lächelt. Die 1947 in der heutigen Zehn-Millionen-Stadt Seoul geborene Prosaistin gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen der neueren koreanischen Frauenliteratur. Im „Land der Morgenstille“ ist dieser Begriff noch durchweg positiv besetzt. Denn dort ist der Kampf gegen Vorurteile noch voll im Gange: Auch wenn ihre Bücher regelmäßig Auflagen von 200000 Exemplaren erreichen, erscheint der Erfolg von Autorinnen in der vom konfuzianischen Ordnungsdenken geprägten Gesellschaft Südkoreas alles andere als selbstverständlich. Oh Jung-Hee schrieb immer wieder über Einsamkeit und die Facetten unterdrückter Gewalt. Ihr Interesse gilt mittlerweile vor allem Frauen mittleren Alters. Gerade ist ihr Roman „Vögel“ im Unionsverlag neu aufgelegt worden, als nächstes will sie sich den ideologischen Implikationen der Mutterliebe widmen.

Schreiben gilt nach der Erfahrung Oh Jung-Hees für Frauen als brotlose Tugend, nicht als ernst zu nehmender Beruf. Der Geist des Konfuzianismus habe sich bis in die Neunzigerjahre durch den weiblichen Ausdruck, ja durch künstlerische Meinungsfreiheit allgemein, gefährdet gesehen. Dabei ist Korea, das wie kein anderes asiatisches Land im 20. Jahrhundert unter Kriegen, Besatzungsmächten und Militärdiktaturen litt, schon seit Jahrzehnten eine vaterlose Gesellschaft, in der die Frauen immer mehr Verantwortung übernehmen.

Und es war ein sprachloses Land: Allein der Gebrauch der Nationalsprache Hangul, die sich aus dem Chinesischen entwickelte, ist erst seit 1945, nach dem Ende der 35-jährigen japanischen Besatzung, wieder frei möglich. Das vielbändige Epos „Land“ (Secolo Verlag) von Pak Kyongni, das sie in den Jahren 1969 bis 1994 verfasste, reflektiert die politischen Umbrüche und gilt als Meilenstein der koreanischen Frauenliteratur; die 79-jährige Pak Kyongni wird zur Frankfurter Buchmesse erwartet.

Doch zunächst bilden neun jüngere Schriftstellerinnen, neun unterschiedliche Erzähltemperamente wie die für ihren Sarkasmus bekannte Chemikerin Bae Su-Ah oder So Youngeoun, die einen symbolträchtigen Fabelstil pflegt, die jetzt im Münchner Literaturhaus vorgestellte Vorhut des Buchmessenschwerpunkts Korea (Detailinfos unter www.koreaheute.de). Jeweils zwei Autorinnen lesen im Juni in Süddeutschland, im September folgen Auftritte bei der Asien-Pazifik-Woche in Berlin. Südkorea – der kommunistische Norden hat in Frankfurt abgesagt – investiert in seinen Auftritt als Ehrengast die Rekordsumme von 14,5 Millionen Euro.

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