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Kultur: Die Verletzliche

Im Januar dieses Jahres starb in Berlin die 1971 aus Prag emigrierte Schriftstellerin Libuse Monikova; die Kulturseiten der großen Zeitungen hatten ausführlich darüber berichtet und einen "großen Verlust für die deutsche Literatur" konstatiert.Dann setzte die übliche Betriebsamkeit wieder ein - einige Freunde der Autorin aber verspürten offensichtlich wenig Lust, sich dem zu beugen: In einer Gemeinschaftsveranstaltung von Literaturhaus und Literarischem Colloquium gedachten sie am Mittwochabend in der Villa am Wannsee jener Frau, die mit ihren eigenwilligen Büchern zwar ein Solitär innerhalb der deutschen Literatur geblieben ist, ihren Kollegen aber stets neue Anregungen zu vermitteln wußte.

Im Januar dieses Jahres starb in Berlin die 1971 aus Prag emigrierte Schriftstellerin Libuse Monikova; die Kulturseiten der großen Zeitungen hatten ausführlich darüber berichtet und einen "großen Verlust für die deutsche Literatur" konstatiert.Dann setzte die übliche Betriebsamkeit wieder ein - einige Freunde der Autorin aber verspürten offensichtlich wenig Lust, sich dem zu beugen: In einer Gemeinschaftsveranstaltung von Literaturhaus und Literarischem Colloquium gedachten sie am Mittwochabend in der Villa am Wannsee jener Frau, die mit ihren eigenwilligen Büchern zwar ein Solitär innerhalb der deutschen Literatur geblieben ist, ihren Kollegen aber stets neue Anregungen zu vermitteln wußte.

Friedrich Christian Delius verglich in seiner Rede den frühen Tod der Monikova mit dem von Nicolas Born, einem weiteren sprachbewußten Einzelgänger, der sich allen Kategorien und Zuordnungen entzogen hatte."Strenge, wie sie nur großen Humoristen zu eigen ist" bescheinigte ihr Delius, und erwähnte hier auch Libuse Monikovas Leidenschaft für die Bücher von Arno Schmidt, die der jungen Emigrantin geholfen hatten, sich in der fremden Bundesrepublik zurechtzufinden und schließlich sogar ihre eigenen Bücher auf deutsch zu schreiben.An all das wurde in einem Ton erinnert, der trotz seiner Melancholie nichts von aufgesetzter (Toten-)Feierlichkeit und bombastischer Preisung an sich hatte.Während der ganzen Veranstaltung filmte das Tschechische Fernsehen, da nun auch in Prag - noch im Oktober 1997 hatte Vaclav Havel seiner Schriftstellerkollegin die renommierte Masaryk-Medaille verliehen - der europäische Rang der Erzählerin Monikova erkannt worden ist und ihre Bücher ins Tschechische übertragen werden.

Die in der Schweiz lebende Schriftstellerin Erica Pedretti las Ausschnitte aus dem Roman "Pavane für eine verstorbene Infantin", während sich Iris Radisch von der "Zeit" aus "Treibeis" die wohl schönste Liebes- und Verführungsszene ausgesucht hatte, die Libuse Monikova je geschrieben hat: Eine junge Frau im Gebirge, angekettet an eine Felswand, vor sich den Schnabel eines furchterregenden Adlers - und natürlich ein Mann, der sie befreit und dabei nicht begreift, daß es sich um einen Film handelt, der hier gerade gedreht wird.Und so rollen sie den Berghang hinab, beide Tschechen, beide von diesem Jahrhundert aus der Bahn geworfen.Die Verletztheit und Angst des Individuums angesichts der Zumutungen einer totalitären Gesellschaft war auch das Thema jenes Romans, der durch Monikovas Tod nun ein Fragment von knapp 150 Seiten bleiben mußte - "Der Taumel", die Geschichte des Prager Malers Jakub Brandl, dessen ästhetisches Feingefühl ihn hilflos in den Maschen des Unterdrückungsapparates zappeln läßt.Michael Krüger, der als Chef des Hanser Verlages Libuse Monikovas Bücher seit Jahren verlegt, las auch daraus noch eine Passage.

Dann aber war schon Schluß, Beifall, eine Diskussion mit dem Publikum war ohnehin nicht vorgesehen.Etwas brüsk und unerwartet vielleicht, gleichzeitig aber einer Autorin entsprechend, deren Literatur sich dagegen sperrt, in routinierten Jubiläumsveranstaltungen wortreich domestiziert zu werden.

MARKO MARTIN

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