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Kriegsmythen werden mit schwerem Geschütz aufgefahren.

© Riedl/dpa

Die Volksbühne startet in den Herbst: Der trojanische Herd

Sind wir nicht alle gegen den Krieg? Thorleifur Örn Arnarsson inszeniert in „Odyssee“ griechische Mythen mit naheliegenden Motiven.

Es ist das Schicksal von Odysseus und seinesgleichen, immer wieder aufs Neue erzählt zu werden. Homer ist einige Hundert Jahre älter als Aischylos, und schon vor der Geburt des Theaters gab es die Epen, lebten oral history und storyteller, weit über die europäische Tradition hinaus. Mythen haben es Thorleifur Örn Arnarsson angetan. Er wurde 1978 in Island geboren, wo ja genug Heldengeschichten und Quellen sprudeln. In Berlin, an der Schauspielschule „Ernst Busch“, hat er studiert und ist jetzt Schauspieldirektor der Volksbühne.

Zur Saisoneröffnung haut er seine Version der „Odyssee“ raus, mit einem Text, den er mit dem isländischen Schriftsteller Mikael Torfason verfasst hat. Volles Rohr: Für das Wiener Burgtheater bereiten die beiden gleich noch eine „Edda“ vor, eine Reise ins Götterreich des Nordens.

Troja – der Krieg der Kriege, die Mutter aller Listen, der Vater aller Dinge, die sich mit langen Heimwegen und Versuchungen unterwegs verbinden. Zehn Jahre Kampf, zehn Jahre wilde Kreuzfahrt im Mittelmeer, da hat jeder seinen emotionalen Hafen und sein Thema. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man denken: Hier war ein Team berühmter Regisseure, toter wie lebendiger, an der Arbeit, um diese Tortur über die Bühne zu bringen. Die Schauspieler müssen Schwerstarbeit leisten, ohne wirklich in Rollen oder Haltungen hineinzukommen.

Als wohne man den coolen Jungs bei der Probe bei

Brutal epigonal geht es los mit wild-akrobatischem Chorsprechen in Mikrofone, zu ziemlich lauter Live-Musik mit Schlagzeug und Klavier. 45 Minuten Einar Schleef reloaded, allerdings wird der Text kaum verständlich. Die Bühne von Daniel Angermayr erinnert in ihrer schmuddeligen Unaufgeräumtheit an Jonathan Meese, der auch schon an der Volksbühne gewirkt hat, und nicht nur wegen der Videoeinsätze winkt Frank Castorf. Irgendetwas lässt auch an Inszenierungen von Nicolas Stemann denken. Wahrscheinlich ist es dieser angeblich coole Jargon. Und das Gefühl, dass man einer Probe beiwohnt.

Heftig geht’s ans Material. Blutsuppe, Nebelwerfer, Spruchbänder, ein Panzer mit Konfettikanone, ein Floß aus Brettern und Ölfässern, eine Wand aus Pappkartons, worauf es sich schlecht läuft. Drei US-Präsidenten als Pappkameraden mit Erektion (Kennedy, Clinton, Trump), als Parallelerzählung zu den Grausamkeiten der Griechen wird der Krieg in Afghanistan herzititert.

Solch scheinbar radikales Protz-Theater driftet leicht ins Unpolitische, Unverbindliche ab. Klar, wer ist nicht gegen Krieg? Telemachos (Nils Strunk) hat keine Lust auf einen Vater, der in Endlosschleifen seiner Kriegsverdienste und -verbrechen steckt.

Odysseus (Daniel Nerlich) macht einen ziemlich unbedarften Eindruck, wohingegen Agamemnon (Roland Kuchenbuch) auch mal einen harten, leisen Ton findet. Aber er ist ja auch schon im Hades. Arnarsson und Torfason wollen mit Gewalt zeigen, dass die Herren der Mythologie brutale Schweine sind, Killer mit bester PR und Tradition. Zu Hause wartet und leidet eine starke Penelope (Johanna Bantzer). Dieser Odysseus hat in viereinhalb endlosen Stunden nicht nur ihr Leben versaut. (Wieder am 14., 21., 22. 9. und 5. 10.)

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