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Kultur: Die Wahrheit des Vatikans

Tadeusz Brezas Roman „Audienz in Rom“.

Vatileaks, Verschwörungstheorien, Gerüchte über Geldwäsche, ein gefeuerter Kammerdiener, ein unflätiges „Titanic“-Cover – der Papst kann sich über einen Mangel an Schlagzeilen nicht beklagen. Das Enthüllungsbuch „Sua Santità“ des Journalisten Gianluigi Nuzzi, in dem die vertraulichen Dokumente veröffentlicht wurden, schoss auf Platz eins der italienischen Bestsellerliste. Auf Deutsch erscheint das Buch im September unter dem Titel „Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Benedikt XVI“.

Tadeusz Brezas in diesem Frühjahr neu aufgelegter Roman „Audienz in Rom“ von 1960 ging dagegen unter: zu Unrecht. Von 1955 bis 1958 war der polnische Journalist und Schriftsteller Kulturattaché an der polnischen Botschaft in Rom. Während dieser Zeit entstand sein Buch, das erstmals 1966 auf Deutsch im DDR-Verlag Volk und Welt erschien.

Rom im Sommer 1957: Der namenlose Icherzähler, ein junger Pole, muss sich um die Angelegenheiten seines Vaters, eines Justiziars des Klerus, kümmern. Der Bischof seiner Gemeinde hat ihm aus unerfindlichen Gründen ein Arbeitsverbot erteilt. Seine wirtschaftliche Existenz ist bedroht, aber noch mehr leidet er darunter, die Gunst seiner Vorgesetzten verloren zu haben. In der von der sommerlichen Hitze gelähmten Stadt sucht der Sohn nun einen einflussreichen Bekannten des Vaters nach dem anderen auf und bittet um Unterstützung. Mit der steigenden Temperatur sinkt allerdings die Hoffnung auf eine Lösung. Der Protagonist erkennt, dass im Vatikan eine andere Wahrheit und ein anderes Recht herrschen als in der Welt.

Auch das Immigrantenmilieu in Italien und das nationalsozialistische Deutschland werden thematisiert: Die polnischen Besitzer der Pension, in der der junge Mann gastiert, fristen in Rom ein verbittertes Dasein. Der Bischof, unter dessen Willkürherrschaft der Vater des Erzählers zu leiden hat, ist ein gebrochener Dachau- Überlebender. Er lässt Härte gegenüber all jenen walten, die er als zu mild in ihrem Glauben empfindet.

So bedrückend die Situation ist, der Ton bleibt lakonisch-heiter. Tadeusz Breza, studierter Jurist und Novize, wertet nicht, der Roman ist nicht antireligiös. Vielmehr schildert er Vagheiten und Widersprüchliches, deutet Zusammenhänge nur an. Dabei entfaltet er einen Sog – abseits von Mafiagetöse und besudelter Soutane. In „Audienz in Rom“ bleibt das Gerüst des mächtigen Vatikans bestehen, so heftig auch daran gerüttelt wird. Im wahren Leben ist es heftigeren Erschütterungen ausgesetzt.

Tadeusz Breza: Audienz in Rom. Roman. Übersetzt von Caesar Rymarowicz, Berlin Univ. Press 2012, 316 S., 22,90 €.

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