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Kultur: Die Welt ist gut und böse

Maxim Billers Geheimnis: Der Schriftsteller singt

Nur Schwärmer glauben, dass eine Gitarre ausreicht. Die eigene Stimme ist ja schon da. Und ein Diktiergerät braucht es auch, damit die Songs der Nachwelt erhalten bleiben. 700 solcher Homerecordings will Maxim Biller, den wir bislang zwar als Autor, nicht aber als Sänger kennen, seit 1976 eingespielt haben. 700, das ist schon fast ein Gesamtwerk. Nun sind 18 dieser Nebenbei-, Alltags- und Liebeskummer-Lieder auf einer CD erschienen, die sich – pathetisch verkürzt – „Maxim Biller Tapes“ nennt (Essay Recordings). Immer, wenn etwas scheinlakonisch „Tapes“ genannt wird – wie die „Basement Tapes“ von Bob Dylan – dann trägt es das Gewicht des Verlorenen, jener lost tapes, nach denen die erinnerungslose Popkultur immer wieder giert.

Dass der Schriftsteller Biller, der mit sarkastischen Spottkommentaren als Autor und „Tempo“-Kolumnist berühmt wurde („100 Zeilen Hass“) und zuletzt einen verbotenen Roman („Esra“) geschrieben hat, insgeheim ein romantischer Liedermacher ist, hätte man ahnen können. Denn die Schattenseite der Unerbittlichkeit ist der Trost. „Die Welt ist gut und böse“, trällert der 44-jährige Wahlberliner, „deine Muschi mag ich sehr.“ Das ist es, woran kleine Jungs denken, wenn sie eine Western-Gitarre in die Finger kriegen. Schrammel, schrammel. Dabei mangelt es Billers Debüt nicht an guten Momenten. So bei der Auseinandersetzung mit Theatermacher George Tabori („Du bist ein alter Jude, du machst mich ganz schön mude/ Du überlegst dir tausend Sachen, damit die Hunde lachen“) oder dem elegisch-euphorischen „Diamonds“. Aber trotzdem reicht das nicht. Eine musikalische Handschrift erkennt man nicht. Ein Erstling, der wie ein Nachlass wirkt.

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