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Kultur: Die Welt und ihre Bevölkerung: "Uns steht ein gewaltiger Lernprozess bevor" - Der Wissenschaftler Birg warnt vor gravierendem Arbeitskräftemangel

Herwig Birg (62) ist Professor für Bevölkerungswissenschaften an der Universität Bielefeld. Aus dem UNO-Weltbevölkerungsbericht lässt sich entnehmen, dass in den Entwicklungsländern die Bevölkerung wächst, bei uns dagegen schrumpft.

Herwig Birg (62) ist Professor für Bevölkerungswissenschaften an der Universität Bielefeld.

Aus dem UNO-Weltbevölkerungsbericht lässt sich entnehmen, dass in den Entwicklungsländern die Bevölkerung wächst, bei uns dagegen schrumpft. Wie wird sich das für uns auswirken?

Das Phänomen der Arbeitskräfteknappheit wird gravierende Formen annehmen. Wie die einfachste Lösung aussieht, wissen wir: Die Wirtschaft schreit jetzt schon nach Einwanderern, sie will bis zu 400 000 pro Jahr haben. Aber das ist nur die schnellste Lösung, ob es die beste ist, steht auf einem anderen Blatt, denn die Einwanderer müssen gut ausgebildet sein und sind es leider nicht.

Können wir die Leute nicht hier ausbilden?

Um jemanden ausbilden zu können, muss er die Sprache beherrschen. Schon daran mangelt es. Selbst die hier geborenen Kinder von zugewanderten Familien gehen zu einem Viertel ohne Abschluss von der Schule ab. Außerdem sind die meisten, wenn sie kommen, schon zu alt dafür.

Werden denn die Deutschen mit so vielen Fremden überhaupt umgehen können?

Wir können zwar ziemlich genau vorausberechnen, was mit der Bevölkerungsentwicklung passiert. Aber wie die Menschen damit fertig werden, lässt sich leider nicht vorhersagen. Das wird auch davon abhängen, ob sie verstehen, dass das nicht das Ergebnis von Verschwörungen gegen Deutschland ist, sondern auch durch ihr eigenes Verhalten herbeigeführt wurde. Darüber aufzuklären ist eine wichtige Aufgabe der Medien. Jedenfalls steht uns ein gewaltiger Lernprozess bevor.

Sehen Sie mehr Chancen oder mehr Risiken?

Das ist schwer zu sagen. Mir persönlich sind geistig rege, an Deutschland interessierte Eingewanderte, die unsere Werte teilen, lieber als hier geborene Deutsche, die gar nicht wissen, was die deutsche Kultur eigentlich ausmacht. Die entscheidende Frage ist also, wer einwandert.

Aber bedeutet das nicht, dass wir den Zuwanderern unsere Werte aufnötigen, obwohl wir sie genauso brauchen wie sie uns?

Lassen Sie uns einmal nach Amerika blicken. Dort sind die Einwanderer glücklich und stolz, Amerikaner zu sein, wie die Amerikaner selbst auch. Wir dagegen tun ja immer so, als wäre es am besten, wenn Deutschland sich schnellstmöglich auflösen würde. Unsere Kultur hat aber 1000 Jahre gedauert. Wenn wir so tun, als ob unsere Geschichte auf die zwölf Jahre Nazizeit beschränkt wäre, sind die Chancen der Integration gleich null. Unsere Leitkultur deutlicher zu machen, die eine so gute Verfassung wie das Grundgesetz hervorgebracht hat, und uns nicht immer nur zu schämen, wie uns das jeden Tag vorgeschlagen wird, wäre wichtig, wenn wir an Integration interessiert sind.

Aus dem UNO-Weltbevölkerungsbericht läss

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