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Sensationeller Fund. Bei den Erdarbeiten zum Bau der Werftinsel am Wikingerschiffmuseum Roskilde wurden 1997 neun Wikingerschiffe unterschiedlicher Größe entdeckt, darunter auch „Roskilde 6“.

© Werner Karrasch / Copyright: The Viking Ship Museum in Roskilde Denmark

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Vor rund 1000 Jahren ging „Roskilde 6“ vor Anker – heute kann man das gesunkene Boot wieder in voller Pracht bewundern.

Das Schiff ist das Symbol der Wikinger schlechthin. Ohne diese verschiedenen Typen von Schiffen hätten sie niemals so weit entlegene Gebiete erobern oder mit Byzanz und den Kalifen von Bagdad Handel treiben können. Das bisher größte bekannte Wikingerschiff ist „Roskilde 6“, 37 Meter lang und mit einem Segel von 120 Quadratmetern eine imposante Erscheinung. Das zu 25 Prozent erhaltene Original ist mit einem Stahlskelett rekonstruiert und damit eindrucksvoller Blickfang der Wikingerausstellung im Martin-Gropius-Bau. Selbst für die Mitarbeiter des dänischen Nationalmuseums ist dies ein besonderes Ereignis, denn mangels entsprechender Deckenhöhe kann dort das Schiff nicht mit aufgerichtetem Mast und gesetztem Segel gezeigt werden.

Gefunden wurde das Schiff, als man sich im Wikingerschiffmuseum Roskilde daran machte, das Haus um eine eigene Werftinsel zu erweitern. 1996 bis 1997 wurden dort gleich neun Wikingerschiffe unterschiedlicher Größe entdeckt. Sie waren nicht versenkt worden wie die fünf Skuldelev-Schiffe, die jetzt in der Museumshalle zu besichtigen sind. Die neun „Roskilde“-Schiffe sind an Ort und Stelle gesunken, vielleicht bei einem Sturm oder weil sie zu alt waren.

Der gut erhaltene Kiel von „Roskilde 6“ misst 32 Meter, so dass nach der Rekonstruktion eine Gesamtlänge von 37 Metern erreicht wurde. Das Langschiff hatte bis zu 100 Mann Besatzung und muss wegen der beachtlichen Größe einem reichen Herrn, Fürsten oder gar Knut dem Großen, König von Dänemark und England (1016–1035) gehört haben; Genaueres lässt sich leider nicht mehr ermitteln.

Wohl konnte man anhand der Jahresringe des Holzes rekonstruieren, dass die Stämme zwischen 1018 und 1032, wahrscheinlich um 1025, gefällt wurden. Durch Vergleiche mit dem berühmten Schiff von Osebjerg (Oslo) kam man zu dem Schluss, dass „Roskilde 6“ am Oslofjord gebaut worden war. Damals war es üblich, dass die Schiffe aus frischem Holz gefertigt wurden. Ausbesserungen am Schiff zeigen andere Holzarten, die auf eine Reparatur um 1039 im Baltikum schließen lassen. Das Schiff ist also weit herumgekommen, bevor es im Hafen von Roskilde sank.

Wie kann eine Tonne Holz tausend Jahre im feuchten Erdreich überleben?

Es wurde nur bestes Eichenholz verwendet. Dazu wurden die Stämme in der Mitte gespalten und mit der Axt zu Planken gehauen, damit die wertvollen Fasern des Holzes nicht zerstört werden – wie das etwa beim Sägen der Fall ist. Große Sägen kannten die Wikinger nicht. Durch die Axtmethode waren die nur 2,5 Zentimeter starken Planken sehr stabil und gleichzeitig elastisch. Charakteristisch für alle Wikingerboote bis zu den norwegischen Fischerbooten des späten 19. Jahrhunderts ist die Klinkerbauweise, das heißt, die Planken überlappen einander. Die schlanke lange Form und der geringe Tiefgang erlaubten es den Wikingern, auch dicht entlang der Küste oder die Flüsse hinauf zu fahren und in der Nähe des Ufers die Krieger an Land gehen zu lassen.

Aber wie überlebt eine Tonne Holz, die 1000 Jahre im feuchten Erdreich gelegen hat? Stück für Stück wurden die feucht gehaltenen Schiffsteile geborgen, gereinigt, vermessen und fotografiert. So zeigten sich alsbald auch die Gebrauchsspuren der Werkzeuge, die wertvolle Hinweise auf deren Art lieferten. Anschließend wurde eine Eins-zu-eins- Zeichnung angefertigt und die Einzelteile nach Brede zum Konservierungszentrum des Nationalmuseums nördlich von Kopenhagen gebracht.

Hier wurde in einem langwierigen Prozess, dem sogenannten Vakuumgefrierverfahren, das Wasser im Holz durch eine Polyethylenglykol-Mischung ersetzt. Damit konnten die Holzplanken wieder stabil gemacht werden. Drei Jahre lang, von 2009 bis 2012, hat dieser Prozess gedauert. Anschließend wurde anhand der 200 verbliebenen Einzelteile mithilfe von Zeichnungen und Modellen die Form des Schiffes ermittelt. Ein flexibles Stahlskelett mit den Originalplanken gibt die tatsächliche Form des Langschiffes wieder. Das Ergebnis nach 15 Jahren mühevoller Kleinarbeit ist im Lichthof des Martin- Gropius-Baus zu bewundern, eine imposante Erscheinung unter vollem Segel.

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