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Kultur: „Die Zensoren sind sehr schlau“

Der iranische Regisseur Mani Haghighi über Humor, das islamische Regime und seinen FORUM-Film „Men at Work“

Herr Haghighi, Sie sind in Berlin, aber Ihre Filmcrew hat es nicht rechtzeitig zur Premiere Ihres Films geschafft. Was war los?

Es gab eine Demonstration vor der deutschen Botschaft in Teheran, es ging um die Karikaturen in Ihren Zeitungen. Meine Crew kam nicht ins Botschaftsgebäude, um die Pässe mit den deutschen Visa abzuholen. Aber ich versuche, es mit Humor zu nehmen.

Was man von den Iranern, die deutsche und dänische Fahnen verbrennen, eher nicht behaupten kann.

Das ist eine Minderheit. Aber sie schreit am lautesten. Allerdings fand ich die Karikaturen auch nicht lustig. Ein Witz ist dann gut, wenn alle über ihn lachen können. Das Lachen soll die Menschen zusammenbringen und nicht wie eine Mauer zwischen ihnen sein.

In Ihrem Film „Men at Work“ zeigen Sie vier Männer, die vom Skifahren aus den Bergen kommen und während einer Pinkelpause auf einen Felsen stoßen, der vor einem Abgrund steht. Sie versuchen, ihn hinab zu stürzen. Doch der Fels rührt sich nicht. Eine eindeutige Metapher: Der Fels stellt das starre iranische Regime dar.

Ach, wirklich? Eine gute Metapher entzieht sich einer eindeutigen Interpretation. Wieso soll der Fels das Regime sein? Er steht nur da, er ist harmlos. Ich würde den Film nicht auf Ihre Interpretation limitieren, was allerdings nicht heißt, dass ich sie ausschließe.

Ist der humorvolle Blick auf gesellschaftliche Absurditäten charakteristisch für die jungen iranischen Filmemacher?

Humor hat leider immer noch Seltenheitswert im iranischen Kino. Es herrscht nach wie vor Stoizismus. Die jungen iranischen Filmemacher versuchen zwar, politisch explizitere Filme zu machen. Aber lustig sind sie selten.

Ihr Film hingegen ist aberwitzig. Genauso erscheint einem der Iran. Auf der einen Seite gibt es ein antiwestliches Regime, auf der anderen eine junge Bevölkerung mit westlichen Konsumansprüchen.

Der Iran ist kulturell gespalten. Es gibt die Jugendlichen in den großen Städten, die Internet-Blogs schreiben und geheime Rockkonzerte besuchen. Aber sie repräsentieren nicht die stille Mehrheit der Iraner, die den konservativen Ahmadinedschad zum Präsidenten gewählt hat.

Sind Sie besorgt wegen des Konflikts zwischen Iran und dem Westen?

Ja, aber nicht wegen der Aussagen unseres Präsidenten, sondern wegen der Aktionen der USA in der gesamten Region. Zwei Nachbarländer des Iran wurden in den letzten Jahren von US-Streitkräften besetzt. Man nennt uns Teil der „Achse des Bösen“ und erlaubt uns nicht, unsere Atomtechnologie zu entwickeln. Vieles von dem, was Sie als Provokationen wahrnehmen, sind Reaktionen auf diese Situation.

Die iranischen Filmemacher, die auf der Berlinale ihre Filme zeigen, wurden heftig kritisiert. Eine Gruppe exiliranischer Filmemacher behauptet, dass sie das autoritäre Regime mit ihren Werken indirekt unterstützten. Sie würden das Ausmaß der Unterdrückung in Iran verschweigen und hätten sich mit der Regierung arrangiert.

Das ist Unsinn. Alle Filme, die hier laufen, versuchen die soziale und politische Realität im Iran auf irgendeine Weise abzubilden: der Horror des Patriarchats, Armut, öffentliche Exekutionen. Was wir Filmemacher allerdings aus guten Gründen nicht tun: Slogans ausspucken. Das hätten die Oppositionellen hier gerne. Aber wir arbeiten subtiler. Wir sind diejenigen, die im Iran leben und wissen, was dort passiert. Ich habe 17 Jahre in Kanada gelebt und ging dann in den Iran zurück, weil ich nur dort meine Filme machen wollte.

Hat sich die Situation für Sie verändert, seit Ahmadinedschad Präsident ist?

Die neue Regierung ist noch zu frisch im Amt, um darauf eindeutig antworten zu können. Ein erster Hinweis aber ist, dass mein Film auf dem diesjährigen FadjrFilmfestival in Teheran gezeigt werden konnte. Viele Zuschauer verabscheuten ihn regelrecht, weil sie sich auf den Arm genommen fühlten. Andere mochten ihn, vor allem die Kritiker. Doch auf dem Fadjr-Festival im letzen Jahr wurde mein erster Film „Abadan“ von der Vorgängerregierung nicht zugelassen. Er ist bis heute verboten.

Unter welchen Bedingungen arbeiten die iranischen Filmemacher?

Es ist sehr hart, weil es eine Bürokratie gibt, die das gesamte iranische Filmgeschäft überwacht. Mit jedem Regierungswechsel kommen neue Gesetze und Regulierungen hinzu und wir wissen nie, wo gerade die rote Linie verläuft, die wir nicht überschreiten dürfen.

Sie haben Ihren Film mit einer Digitalkamera gedreht. Hat die Technik das Filmemachen im Iran verändert?

Fundamental. Die Filme sind billiger und wir sind unabhängiger geworden. Normalerweise bekommt man Geld von der Regierung oder von Produzenten, die in irgendeiner Weise mit der Regierung verbandelt sind. Die Digitalkamera hat uns daher auch politisch mehr Freiheit geschenkt. Wir können experimentieren.

Aber jedes Drehbuch muss vom Kulturministerium genehmigt werden.

Das stimmt, und die Bürokraten sind natürlich darauf aus, etwas zu finden, was sie zensieren können. Manchmal werden dann bestimmte Sätze oder ganze Passagen aus den Filmen gestrichen.

Was mussten sie bei „Men At Work“ streichen?

Nicht eine Zeile, nicht eine Einstellung.

Sind die iranischen Zensoren blind oder dumm?

Sie sind sogar ziemlich schlau. Sie interpretieren die Filme auf ihre Weise. Über meinen Film sagten sie, er zeige, dass die Menschen sich nicht über Gott erheben sollten. Die Zensoren betrachteten den Film als etwas Mystisches. Die Unverrückbarkeit des Felsens war für sie ein Gottesbeweis. Diese Interpretation will ich gerne gelten lassen.

Interview: Philipp Lichterbeck

Mani Haghighi wurde 1969 in Teheran geboren und spielte im Alter von sechs Jahren in

einem Film seines Großvaters Ebrahim Golestan. 1984 zog er

nach Kanada . Während seines Philosophie- und Theaterwissenschaftsstudiums inszenierte Haghighi

Theaterstücke.

1994 drehte er im Iran seine Dokumentation „To Stay“. Außerdem führte er beim Kurzfilm „Water“ Regie, der auf einer Geschichte von Jorge Luis Borges basiert. Vor sechs Jahren kehrte er endgültig in sein Heimatland zurück. Heute arbeitet Haghighi vor allem als Werbefilmer. Men At Work

(Forum: 18.2., 16.30 Uhr, Cinestar 8) ist sein Spielfilmdebüt. Es handelt von vier Freunden, die versuchen, einen

Felsen umzustürzen.

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